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Der Mann mit dem goldenen Colt

Titel: Der Mann mit dem goldenen Colt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Kugel schlug durch die Kabine.
    Der Rasta schrie und fiel zu Boden. Mit einer Hand umklammerte er krampfhaft seine Kehle. Mit der anderen hielt er noch die Pfeifenleine fest, und das Züglein setzte sein warnendes Jammergeheul fort.
    Noch fünfzig Meter! Das Goldhaar hing verloren nach vorn, verdeckte das Gesicht. Die Stricke an den Hand- und Fußgelenken waren deutlich zu sehen.
    Bond knirschte mit den Zähnen und versuchte, nicht an den fürchterlichen Ruck zu denken, der jetzt jeden Augenblick kommen mußte. Er sprang nach rechts und schoß dreimal. Er glaubte, zweimal getroffen zu haben, aber dann schlug etwas heftig in den Muskel seiner linken Schulter, er drehte sich um seine Achse und stürzte auf den Eisenboden, das Gesicht über dem Rand der Fußplatte. Und von dort, nur wenige Zentimeter entfernt, sah er die Räder den Körper auf den Schienen durchschneiden, sah, wie der blonde Kopf vom Rumpf gerissen wurde, die porzellanblauen Augen ihn ein letztes Mal anstarrten, sah die Fragmente der Schaufensterpuppe mit einem scharfen Krachen zerspringen und die rosa Splitter den Damm hinunterrollen.
    James Bond würgte die Übelkeit, die ihm aus dem Magen hochgestiegen war, wieder in die Kehle. Er kam schwankend auf die Beine, hielt sich gebückt, griff nach dem Beschleunigungshebel, riß ihn nach oben. Eine offene Schlacht bei stehendem Zug würde seine Chancen noch vermindern.
    Den Schmerz in seiner Schulter spürte er kaum. Er schob sich um die rechte Seite des Tenders. Vier Revolver krachten. Er riß seinen Kopf wieder in die Deckung zurück.
    Jetzt schossen die Gangster, aber ziellos, da sie das Dach behinderte. Doch Bond hatte Zeit gehabt, etwas Wundervolles zu sehen. Scaramanga war im Bremswagen von seinem ^ron geglitten und lag auf den Knien, sein Kopf ging hin und her wie der eines verwundeten Tieres. Wo, zum Teufel, hatte Bond ihn getroffen? Und was jetzt? Was sollte er mit den vier Gangstern tun, die vor ihm ebenso verborgen waren wie er vor ihnen?
    Da kam eine Stimme von hinten aus dem Zug, das konnte nur vom Bremswagen sein; Felix Leiters Stimme schrie gegen das Kreischen der Lokomotivpfeife an.
    »Okay, ihr vier Jungs. Werft eure Revolver über die Seitenwand. Jetzt! Sofort!«
    Ein Schuß krachte.
    »Ich habe sofort gesagt, Mr. Gengerella. Fahr in die Hölle! Okay denn. Und jetzt Hände hinter den Kopf. So ist’s besser, jawohl. Okay James. Der Kampf ist vorüber. Bist du heil? Wenn ja, so laß dich sehen. Es gibt noch einen Schlußvorhang, und wir müssen schnell fort.«
    Vorsichtig stand Bond auf. Er konnte es kaum glauben. Leiter mußte auf den Puffern mitgefahren sein, hinter dem Bremswagen. Er hätte sich nicht früher zeigen können, aus Furcht vor Bonds Schüssen. Ja! Da war er! Sein blondes Haar vom Wind zerzaust, den Stahlhaken als Auflage für den langläufigen Revolver erhoben, so stand er mit gespreizten Beinen neben dem Bremsrad - über dem Körper Scaramangas, der auf dem Rücken lag.
    Bonds Schulter begann teuflisch zu schmerzen. Er schrie mit dem Zorn ungeheurer Erleichterung: »Der Teufel soll dich holen, Leiter. Warum bist du nicht früher erschienen? Das hätte schiefgehen können.«
    Leiter lachte. »Das ist vielleicht ein Tag! Nun hör mal, Polyp, mach dich fertig zum Abspringen. Je länger du wartest, desto weiter mußt du zu Fuß heimgehen. Ich bleibe eine Weile bei den Jungs und übergebe sie in Green Harbour der Polizei.«
    Er schüttelte den Kopf, um anzuzeigen, daß das eine Lüge war. »Also vorwärts. Wir sind im Morast. Du wirst weich landen. Stinkt ein wenig, aber wenn du heimkommst, geben wir dir ’ne Abreibung mit Eau de Cologne.«
    Der Zug fuhr über einen kleinen Bach, und das Geräusch der Räder ging in tiefes Dröhnen über. Bond blickte nach vorn. In der Ferne war das Eisengerüst der Brücke über den Orangenfluß zu sehen. Der immer noch pfeifende Zug verlor Dampf. Der Zeiger stand auf siebenundzwanzig Stundenkilometern. Bond sah auf den toten Rasta hinunter. Im Tod sah sein Gesicht ebenso schrecklich aus wie im Leben.
    Bond warf einen schnellen Blick unter das Dach. Hendriks’ zusammengesunkene Leiche rollte mit der Bewegung des Zuges mit. Der Schweiß glänzte noch auf seinen teigigen Wangen. Nicht einmal als Leiche wirkte er sympathischer. Leiters Kugel war durch Gengerellas Hinterkopf eingedrungen und hatte den Großteil des Gesichtes fortgerissen. Die drei Gangster neben und hinter Gengerella sahen James Bond verdattert an. Das hatten sie nicht erwartet.

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