Der Mann mit dem goldenen Colt
»Angst vor einem Sterbenden? Ihr Limeys seid vielleicht weich.«
»Der Sterbende hat die Schlange ganz wirkungsvoll behandelt. Haben Sie noch mehr Waffen?« Als Scaramanga eine Bewegung machte, seinen Rock zu öffnen: »Ruhig. Keine schnellen Bewegungen. Zeigen Sie nur Ihren Gürtel, die Achselhöhlen, klopfen Sie innen und außen auf Ihre Oberschenkel. Ich würde es selbst tun, aber ich möchte nicht wie die Schlange enden. Und wenn Sie schon dabei sind, werfen Sie doch das Messer hoch in die Bäume hinüber. Hochwerfen, nicht schleudern, wenn’s Ihnen nichts ausmacht. Mein Zeigefinger ist heute ein wenig nervös. Scheint ganz von allein abdrücken zu wollen. Ich möchte nicht, daß er sich selbständig macht. Ja, so ist’s recht.«
Scaramanga warf mit einer Bewegung seines Handgelenks das Messer in die Luft. Die Stahlklinge rotierte wie ein Rad in der Sonne. Bond mußte zur Seite treten. Das Messer bohrte sich in den Schlamm, wo Bond gestanden hatte, und blieb dort stecken. Scaramanga lachte rauh. Aus dem Lachen wurde ein Husten. Das hagere Gesicht verzog sich schmerzlich. Zu schmerzlich? Scaramanga spuckte Blut, aber so viel auch wieder nicht. Es konnte nur eine leichte Blutung sein. Vielleicht ein oder zwei gebrochene Rippen.
Ein Spitalaufenthalt von etwa zwei Wochen, und die Sache war in Ordnung.
Er legte das Stück Schlange weg und tat genau, was Bond ihm gesagt hatte, wobei er die ganze Zeit mit seinem kalten, arroganten Blick Bond anstarrte.
Als er damit fertig war, nahm er sein Stück Schlange und begann es zu kauen.
Er sah auf: »Zufrieden?«
»So ziemlich.«
Bond kauerte sich auf die Fersen nieder. Er hielt seinen Revolver vor sich und zielte auf Scaramanga.
»Also, nun wollen wir reden. Ich fürchte, Sie haben nicht mehr viel Zeit, Scaramanga. Hier ist Ihre Straße zu Ende. Sie haben zu viele meiner Freunde umgebracht. Ich habe das Recht, Sie zu töten, und ich werde es tun. Aber ich tue es schnell. Nicht wie Sie es mit Margesson taten; erinnern Sie sich? Sie haben ihm beide Knie und beide Ellbogen durchschossen. Dann zwangen Sie ihn, Ihre Stiefel zu küssen. Sie waren dumm genug, damit vor Ihren Freunden in Kuba zu prahlen. Nun zurück zu uns. Interessehalber, wie viele Männer haben Sie eigentlich in Ihrem Leben umgebracht?«
»Mit Ihnen werden es rund fünfzig sein.«
Scaramanga hatte das letzte Stück Wirbelsäule abgenagt. Er warf es Bond zu. »Da iß, Dreckskerl, und tu deine Arbeit. Aus mir kriegst du keine Geheimnisse raus, falls du das beabsichtigst. Und vergiß nicht, auf mich haben schon Fachleute geschossen, und ich bin immer noch am Leben. Vielleicht nicht ganz unbeschädigt, aber ich hab noch nie gehört, daß ein Limey einen schwerverwundeten wehrlosen Mann erschossen hätte. Du hast nicht die Nerven dazu. Wir werden hier sitzen und plaudern, bis die Rettungsmannschaft kommt. Dann geh ich gern vor Gericht. Was werden sie mir dann wohl geben, ha?«
»Na, erstens einmal liegt dieser nette Mr. Rotkopf mit einer Ihrer berühmten Silberkugeln im Schädel hinterm Hotel im Fluß.«
»Der paßt gut zu dem netten Mr. Hendriks mit einer deiner Kugeln irgendwo. Vielleicht sitzen wir ’ne Zeitlang gemeinsam. War’ doch nett, nicht? Angeblich hat das Gefängnis in Spanish Town allen Komfort. Wie wär’s damit, Limey? Dort wird man dich dann in der Sacknähabteilung mit ’nem Splitter im Rücken finden. Und übrigens, woher weißt du das mit dem Rotkopf?«
»Ihre Abhöranlage war angezapft. Dieser Tage scheinen Sie ein wenig anfällig für Unfälle zu sein, Scaramanga. Sie haben den falschen Vertrauensmann angestellt. Und Ihre beiden Hotelleiter waren von der CIA. Das Tonband wird bereits auf dem Weg nach Washington sein. Da ist der Mord an Ross auch drin. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Tonbänder gelten bei einem amerikanischen Gericht nicht als Beweis. Aber ich versteh dich schon, Polyp. Es scheinen tatsächlich Fehler gemacht worden zu sein. Okay denn«, Scaramanga machte eine weitläufige Geste mit der Rechten, »nimm eine Million Dollar und sag, es war nichts.«
»Im Zug hat man mir drei Millionen angeboten.«
»Ich verdopple sie.«
»Nein. Tut mir leid.«
Bond stand auf. Die linke Hand hinter seinem Rücken war verkrampft vor Schauder davor, was er tun wollte. Er zwang sich, daran zu denken, wie der gemarterte Körper Margessons ausgesehen haben mußte, oder die der anderen, die dieser Mann umgebracht hatte, die er noch umbringen würde, falls Bond schwach werden
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