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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Arsch neben mir dachte.
»Schön«, sagte sie, »bis heute abend.«
Sie war wirklich gut, gut im Bett, aber wie immer bei sol- chen Frauen verlor ich nach der dritten oder vierten Nacht das Interesse und ging nicht mehr zurück.
Aber ich sagte mir immer wieder, Herr Gott, als Briefträger braucht man nichts anderes zu tun, als seine Briefe abzuliefern und mit der Hausfrau ins Bett zu steigen. Ge- nau der richtige Job für mich, o ja ja ja.
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    Und so machte ich die Prüfung und bestand sie, ging zur ärztlichen Untersuchung, bestand sie, und schon war es ge- schafft - ich war Aushilfsbriefträger. Am Anfang war es ganz leicht. Ich wurde zum West-Avon-Postamt geschickt, und es war genau wie an Weihnachten, nur die Frau fehlte. Jeden Tag rechnete ich damit, fertig gemacht zu werden. Aber es passierte nichts. Der Kapo war erträglich, und ich schlenderte durch die Gegend, hatte mal diese Straße, mal jene. Ich hatte nicht mal eine Uniform, nur eine Mütze. Ich trug meine gewöhnlichen Kleider. So wie wir tranken, meine Puppe Betty und ich, war nie Geld für Kleider da.
    Dann wurde ich ans Oakford-Postamt versetzt.
Der Kapo war ein Stiernacken namens Jonstone. Die brauchten Hilfe dort, und es war leicht zu sehen, weshalb. Jonstone trug mit Vorliebe dunkelrote Hemden - das roch nach Gefahr und Blut. Es gab sieben Aushilfen - Tom Moto, Nick Pelligrini, Herman Stratford, Rosey Anderson, Bobby Hansen, Harold Wiley und mich, Henry Chinaski. Um fünf Uhr morgens mußten wir antreten, und ich war der einzige Trinker in der Mannschaft. Ich trank immer bis nach Mitter- nacht, und dann saßen wir da, um fünf Uhr morgens, und warteten auf Arbeit, warteten darauf, daß einer der Regu- lären anrief und sich krank meldete. Die Regulären mel- deten sich gewöhnlich krank, wenn es regnete oder während einer Hitzewelle oder am Tag nach einem Feiertag, wenn es eine doppelte Ladung Post auszutragen gab.
Es gab vierzig oder fünfzig verschiedene Routen, vielleicht auch noch mehr, jeder Verteilerkasten war wieder anders, man konnte sie nie alle lernen, man mußte seine Post verteilt und in der Ledertasche haben, wenn um acht Uhr der Lastwagen losfuhr, und Jonstone ließ keine Ent- schuldigung gelten. Die Aushilfen sortierten ihre Zeitschriften an Straßenecken, ließen das Mittagessen aus und starben auf den Straßen. Jonstone ließ uns mit dreißig Minuten Verspätung anfangen, unsere Routen zu sortieren — und dabei wirbelte er in seinem roten Hemd auf dem Drehstuhl herum —: »Chinaski, Route 539!« Wir fingen eine halbe Stunde zu spät an, und doch erwartete man von uns, daß wir die Post rechtzeitig sortierten und austrugen und bei- zeiten wieder zurückkamen. Und ein- oder zweimal in der Woche mußten wir, ohnehin schon fix und fertig von der Scheißarbeit, nachts durch die Stadt fahren und die Briefkästen leeren, und der Zeitplan, an den wir uns halten sollten, war unmöglich — so schnell konnte der Lastwagen gar nicht fahren. Man mußte bei der ersten Runde vier oder fünf Briefkästen auslassen, und wenn man sie dann bei der nächsten Runde öffnete, waren sie mit Post voll- gestopft, und man stank und schwitzte, während man sich abmühte, sie in die Säcke zu stopfen. Ich wurde richtig fertig gemacht. Dafür sorgte schon Jonstone.
    3
    Die Aushilfen selber machten Jonstone dadurch erst mög- lich, daß sie seine unmöglichen Anordnungen ausführten. Ich konnte nicht verstehen, daß man einen Mann von so augenscheinlicher Grausamkeit in einer solchen Stellung hielt. Den Regulären war es gleich, der Mann von der Ge- werkschaft war wertlos, und so schrieb ich an einem meiner freien Tage einen dreißigseitigen Bericht, schickte einen Durchschlag an Jonstone und ging mit dem Original hin- unter zur Vertretung der Bundesregierung. Dort sagte mir eine der Schreibkräfte, ich solle warten. Ich wartete und wartete und wartete. Ich wartete eine Stunde und dreißig Minuten, bevor ich zu einem kleinen grauhaarigen Mann mit Augen wie Zigarettenasche geführt wurde. Er forderte mich nicht mal auf, Platz zu nehmen. Er fing an mich an- zuschreien, sobald ich den Raum betrat:
    »Sie sind ein verdammter Klugscheißer, nicht wahr?« »Es wäre mir lieber, Sie würden mich nicht beschimpfen,
    Sir.«
»Verdammter Klugscheißer, Sie sind einer dieser Klug-
scheißer, die so vornehm tun und mit großen Worten um
sich werfen!«
Er fuchtelte mit meinen Papieren in der Luft herum.
Und schrie: »MR. JONSTONE IST EIN FEINER MANN!« »Seien Sie nicht

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