Der Mann mit der Ledertasche.
Lieferwagen zu- rück, stieg ein, rollte meine Hosenbeine nach unten und band das Ding wieder ans Armaturenbrett, aber diesmal richtig. Inzwischen hinkte ich natürlich weit hinter dem Zeitplan her, aber wenigstens hatte ich den verfluchten Pappdeckel wiedergefunden. Ich stand nicht hilflos in einem namenlosen Hintergäßchen. Es blieb mir erspart, an einer Haustür zu läuten und nach dem Weg zur Post- garage zu fragen.
Ich sah mich bereits irgendeinem Scheißkerl gegenüber, der aus seinem warmen Haus herausknurrte:
»Sieh mal an. Sie arbeiten doch bei der Post, nicht wahr? Finden Sie nicht mal zu Ihrer eigenen Garage zurück?«
Und so fuhr ich weiter, zündete Streichhölzer an und sprang immer wieder in die steigende Flut, um die Briefkästen zu leeren. Ich war müde und durchnäßt und ver- katert, aber das war bei mir der Normalzustand, und ich kämpfte mich durch meine Müdigkeit so wie ich mich durch das Wasser kämpfte. Ich dachte immer wieder an ein heißes Bad, an Bettys tolle Beine und — das verlieh mir neue Kräfte — an ein Bild von mir selbst, wie ich im Lehnstuhl saß, einen Drink in der Hand, und wie der Hund zu mir herkam und ich ihm das Fell kraulte.
Doch so weit war es noch lange nicht. Die Liste auf dem Pappdeckel schien endlos, und als ich unten angekommen war, stand da »Bitte wenden«, und ich drehte ihn um, und tatsächlich, auf der Rückseite stand die Fortsetzung.
Mit dem letzten Streichholz fand ich den letzten Brief- kasten, lieferte meine Post auf dem angeführten Postamt ab, und das war eine mächtige Ladung, und fuhr dann zu- rück zur Garage in der Weststadt. Das Gelände im We- sten war sehr flach, die Kanalisation wurde mit dem Was- ser nicht fertig, und immer wenn es ein bißchen länger reg- nete, hatten sie eine »Überschwemmung«, wie sie es nann- ten. Die Beschreibung stimmte haarscharf.
Auf meinem Weg in den Westen wurde das Wasser immer tiefer. Überall sah ich steckengebliebene und verlassene Autos. Na wenn schon. Ich wollte nur recht bald in jenem Stuhl sitzen, mit einem Glas Scotch in der Hand, und Bet- tys Arsch durchs Zimmer wippen sehen. Dann begegnete ich an einer Verkehrsampel Tom Moto, wie ich einer von Jonstones Aushilfen.
»Auf welchem Weg fährst du rein?« fragte Moto.
»Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten, so hab ich das jedenfalls gelernt, ist eine Gerade«, antwortete ich ihm.
»Tu's lieber nicht«, sagte er mir. »Ich kenne die Gegend. Das ist der reinste Ozean dort.«
»Scheiße«, sagte ich, »man braucht nur ein bißchen Mut dazu. Hast du Feuer?«
Ich zündete mir eine an und ließ ihn an der Ampel zu- rück.
Betty, Baby, ich komme!
Vielleicht.
Das Wasser stieg immer weiter, aber Postautos sind ziemlich hochbeinig gebaut. Ich nahm die Abkürzung durch das Wohnviertel, mit Vollgas, und auf beiden Seiten spritzte das Wasser in alle Richtungen. Es regnete nach wie vor, und zwar kräftig. Weit und breit war kein Auto zu sehen. Der einzige bewegliche Gegenstand war ich mit meinem Lieferwagen.
Betty, Baby. Demnächst.
Irgendein Typ lachte mich von seiner Veranda herunter aus und schrie: »DIE POST MUSS DURCHKOMMEN!«
Ich warf dem Arschloch ein paar Flüche an den Kopf.
Ich bemerkte, daß das Wasser in den Innenraum des Au- tos drang, daß meine Schuhe naß wurden, doch ich fuhr weiter. Nur noch drei Straßen!
Dann blieb es stehen.
Au. Au. Scheiße.
Ich saß da und versuchte den Anlasser. Der Motor sprang an, blieb aber gleich wieder stehen. Dann reagierte er überhaupt nicht mehr. Ich saß da und betrachtete mir das Was- ser. Es muß sechzig Zentimeter tief sein. Was sollte ich denn tun? Sollte ich vielleicht sitzenbleiben, bis sie eine Rettungsmannschaft schickten?
Was sagten die Dienstvorschriften dazu. Wo waren sie überhaupt? Ich kannte keinen Menschen, der sie schon mal gesehen hätte.
Mist, verfluchter.
Ich verschloß die Tür, steckte den Zündschlüssel in die Tasche und fing an, durch das Wasser — das mir fast bis zur Hüfte reichte - in Richtung Garage zu waten. Es regnete immer noch. Plötzlich wurde das Wasser noch zehn Zenti- meter tiefer. Ich mußte über einen Rasen gegangen und nun über den Randstein auf die Straße getreten sein. Der Lieferwagen stand offensichtlich in einem Vorgarten.
Einen Augenblick dachte ich, Schwimmen sei vielleicht schneller, schlug mir aber den Gedanken gleich wieder aus dem Kopf, es würde zu lächerlich aussehen. Ich schaffte es bis zur Garage und steuerte gleich auf den Verwalter zu. So stand ich
Weitere Kostenlose Bücher