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Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Stimme:
    »Briefträger, haben Sie keine Post für mich?«
    Und am liebsten hätte man geschrien: »Woher zum Kuk- kuck soll ich denn wissen, wer Sie sind oder wer ich bin oder wer irgendjemand ist?«
    Schweißtriefend, von einem Kater geplagt, unter dem unmöglichen Zeitdruck, und da drin Jonstone in seinem rotem Hemd, der genau Bescheid wußte, seinen Spaß daran hatte, und der es angeblich nur tat, um die Kosten niedrig zu halten. Aber alle wußten, warum er es in Wirklichkeit tat. Oh, was war er doch für ein feiner Mann!
    Die Leute. Die Leute. Und die Hunde.
Und weil wir gerade bei den Hunden sind: Es war an einem jener Tage mit vierzig Grad im Schatten, und ich stolperte dahin, schwitzend, ausgelaugt, halb irr, verkatert. Ich blieb vor einem kleinen Miethaus stehen, das den Brief- kasten vorne an der Straße stehen hatte. Ich steckte meinen Schlüssel ins Schloß, und es sprang auf. Kein Ton war zu hören. Dann spürte ich, wie sich etwas zwischen meine Beine drängte. Es drängte immer weiter nach oben. Ich drehte mich um, und da stand ein Deutscher Schäferhund, voll ausgewachsen, und drückte mir die Schnauze in den Arsch. Mit einem kräftigen Biß konnte er mir die Eier ab- reißen. Ich beschloß, daß diese Leute an dem Tag keine Post bekommen würden, daß sie vielleicht überhaupt nie wieder Post bekommen würden. Mann, wie der mir die Schnauze hinten 'reinrammte! Und schnüffelte und schnup- perte!
Ich steckte die Post in die Ledertasche zurück und machte dann sehr langsam, sehr vorsichtig, einen halben Schritt nach vorne. Die Schnauze folgte. Ich machte noch einen halben Schritt, mit dem anderen Fuß. Die Schnauze folgte. Dann machte ich einen langsamen, einen sehr langsamen ganzen Schritt. Und dann noch einen. Und blieb dann ste- hen. Die Schnauze war draußen. Und er stand nur da und schaute mich an. Vielleicht hatte er noch nie etwas derartiges gerochen und wußte nicht recht, wie er sich zu verhalten hatte.
Ich ging ruhig davon.
    8
    Da war noch was mit einem Deutschen Schäferhund. Es war im heißen Sommer, und er kam in RIESENSÄTZEN aus einem Hinterhof und SPRANG dann durch die Luft.
    Seine Zähne schnappten zu, nur Zentimeter von meiner Halsschlagader entfernt.
    »OH GOTT OH GOTT!« brüllte ich, »OH GOTT IM HIMMEL! MORD! HILFE! MORD!«
Das Biest drehte sich um und sprang mich von neuem an. Ich traf ihn mit der Posttasche hart am Kopf, so daß Briefe und Zeitschriften durch die Luft segelten. Er wollte eben wieder springen, als zwei Burschen, die Besitzer, her- auskamen und ihn festhielten. Und dann, während er mich beobachtete und knurrte, sammelte ich die Briefe und Zeit- schriften ein, die ich auf der Veranda vor dem nächsten Haus neu zu sortieren hatte.
»Ihr Scheißkerle, ihr seid wohl verrückt geworden«, sagte ich zu den beiden, »der Hund ist ein Killer. Schaut zu, daß ihr ihn loskriegt, oder sorgt wenigstens dafür, daß er nicht frei herumläuft!«
Ich hätte es mit allen beiden aufgenommen, aber zwi- schen ihnen lauerte dieser Hund und knurrte. Ich ging auf die Veranda des nächsten Hauses und sortierte meine ganze Post auf Händen und Knien.
Wie gewöhnlich blieb mir keine Zeit fürs Mittagessen, und trotzdem kam ich mit vierzig Minuten Verspätung zum Postamt zurück.
Stone schaute auf die Uhr. »Sie haben sich um vierzig Minuten verspätet.«
»Und Sie sind nie angekommen«, erwiderte ich ihm.
»Das kostet Sie eine Verwarnung.«
»Aber sicher, Stone.«
Er hatte bereits das entsprechende Formular in der Schreibmaschine und hackte drauf los. Während ich dasaß und die Post auf die Fächer verteilte und die fehlgeleiteten Sendungen aussortierte, kam er her und warf mir das For- mular hin. Ich hatte es satt, seine Verwarnungen zu lesen, und wußte von meinem Besuch bei der Behörde, daß Pro- teste sinnlos waren. Ohne einen Blick drauf zu werfen, warf ich den Wisch in den Papierkorb.
    9
    Jede Route hatte ihre Tücken, und nur die Regulären kannten sie. Jeden Tag gab es neue gottverdammte Schere- reien, und man mußte ständig mit Vergewaltigung, Mord, Hunden oder irgendeinem anderen Irrsinn rechnen. Die Re- gulären verrieten ihre kleinen Geheimnisse nicht. Das war der einzige Vorteil, den sie genossen — abgesehen davon, daß sie ihren Verteilerkasten auswendig kannten. Als neuer Mann mußte man stets mit Überraschungen rechnen, vor allem, wenn man wie ich den ganzen Abend soff, um zwei ins Bett ging, um halb fünf aufstand, nachdem man die ganze Nacht gevögelt und gesungen

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