Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann mit der Ledertasche.

Der Mann mit der Ledertasche.

Titel: Der Mann mit der Ledertasche. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
Vom Netzwerk:
und ringsum standen und lagen halbleere Whiskyflaschen, eine Ansammlung von Bierflaschen, Aschenbecher und aller- lei Abfälle. Ich hatte seit zwei Wochen nichts gegessen. Ein endloser Strom von Leuten war hier aus- und eingegangen. Sieben oder acht wilde Partys hatten stattgefunden, auf denen ich immer wieder verlangt hatte: »Ich brauche mehr zu trinken, mehr zu trinken, mehr zu trinken!« Ich war unterwegs zum Himmel; die unterhielten sich einfach — und knutschten.
    »So so«, sagte ich zu dem Studenten, »und was wollen Sie von mir?«
»Ich werde Ihr ganz persönlicher Arzt sein.«
»Also gut, Herr Doktor, als erstes verlange ich, daß Sie dieses verfluchte Menschenherz fortschaffen!«
»Daraus wird nichts.«
»Was?«
»Das Herz bleibt hier.«
»Jetzt hören Sie mal gut zu, ich weiß zwar nicht, wie Sie heißen —«
»Wilbert.«
»Also, Wilbert, ich weiß nicht, wer Sie sind oder wo Sie herkommen, aber nehmen Sie bloß Francis hier wieder mit!«
»Nein, es bleibt hier bei Ihnen.«
Dann nahm er seine kleine Spielzeugtasche und holte die- ses Gummiding heraus, das sie einem um den Arm wickeln, und er drückte den Ball zusammen, und der Schlauch füllte sich mit Luft.
»Sie haben den Blutdruck eines Neunzehnjährigen«, sagte er zu mir.
»Ich scheiß drauf. Hören Sie, ist es eigentlich nicht illegal, Menschenherzen herumliegen zu lassen?«
»Ich werde wiederkommen und es abholen. Und jetzt atmen Sie mal ein!«
»Ich dachte, die Post macht mich verrückt. Und jetzt kom- men Sie daher.«
»Ruhe! Ein atmen!«
»Was ich brauche, ist ein strammer Mädchenarsch, Herr Doktor, sonst fehlt mir nichts.«
»An 14 Stellen ist Ihr Rückgrat nicht dort, wo es sein sollte, Chinaski. Das verursacht Spannungen, Schwachsinn und oft Wahnsinn.«
»Blödsinn!« sagte ich...
An den Weggang des Gentleman kann ich mich nicht er- innern. Ich erwachte auf meiner Couch um 1:10 Uhr nach- mittags, Tod am Nachmittag, und es war heiß, die Sonnen- strahlen drangen durch meine zerrissenen Jalousien und fielen auf das Marmeladenglas mitten auf dem Tisch. »Fran- cis« war also die ganze Nacht bei mir geblieben, schmorte in der Alkohollösung, schwamm in der schleimigen Erwei- terung der toten Diastole. Vor meinen Augen.
Es sah aus wie ein Brathähnchen. Ich meine, vor dem Braten. Ganz genau.
Ich hob es auf und stellte es in meinen Schrank und be- deckte es mit einem zerrissenen Hemd. Dann ging ich ins Bad und übergab mich. Als ich fertig war, betrachtete ich mir mein Gesicht im Spiegel. Lange schwarze Stoppeln be- deckten mein Gesicht. Plötzlich mußte ich mich setzen und scheißen. Das tat richtig gut.
Es läutete an der Wohnungstür. Ich wischte mir den Arsch, zog mir ein paar alte Kleider an und ging an die Tür.
»Ja bitte?« Ein junger Kerl stand da, mit langen blonden Haaren, die sein Gesicht einrahmten, und neben ihm ein schwarzes Mädchen, das ununterbrochen lächelte, wie eine Irre.
»Hank?«
»Mhm. Und wer seid ihr?«
»Erinnerst du dich nicht an uns? Von der Party. Wir haben eine Blume mitgebracht.«
»Ach du großer Gott, kommt rein.«
Sie brachten die Blume herein, rot und orange auf einem grünen Stengel. Sie ergab viel mehr Sinn als so manches, nur daß sie eben tot war. Ich fand eine Schüssel, stellte die Blume hinein, holte einen Krug Wein und stellte ihn auf den Couchtisch.
»Kannst du dich nicht an sie erinnern? Du hast doch gesagt, du wolltest sie vögeln.«
Sie lachte.
»Nicht schlecht, bloß nicht gerade jetzt.«
»Chinaski, wie wirst du das denn aushalen, ohne Post- amt?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht werd ich dich vögeln. Oder zu- lassen, daß du mich vögelst. Scheiße, ich weiß nicht.«
»Du kannst jederzeit auf unserem Boden übernachten.«
»Kann ich euch beim Vögeln zusehen?«
»Klar.«
Wir tranken. Ich hatte ihre Namen vergessen. Ich zeigte ihnen das Herz. Ich bat sie, das schreckliche Ding mitzu- nehmen. Ich wagte nicht, es wegzuwerfen, falls es der Medi- zinstudent noch brauchte, für irgendeine Prüfung, oder wenn die Ausleihfrist bei der Mediziner-Bibliothek abge- laufen war, oder was weiß ich wofür.
Wir gingen hinunter in ein Nachtlokal, sahen einen Strip- tease und tranken und brüllten und lachten. Ich weiß nicht, wer Geld dabei hatte, aber ich glaube, er hatte das meiste davon, und das war mal eine ganz nette Abwechslung, und ich lachte andauernd und machte an dem Mädchen rum, bearbeitete ihren Arsch und ihre Schenkel und küßte sie, doch niemand störte sich daran. Solange man Geld hatte,

Weitere Kostenlose Bücher