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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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anderes mochte es um das Laufen sein. Da ist die arme Seele noch mit dem Rudel verknüpft, wo voran in den Leithengst oder in alle auf einmal von irgendwoher eine Bewegung kommt und die Schar Sonne und Wind entgegensprengt; denn wenn das Tier einsam ist und ihm alle vier Weiten des Raums offen stehn, so läuft oft ein irrsinniges Zittern durch seinen Schädel, und es stürmt ziellos fort, stürzt sich in eine schreckliche Freiheit, die in einer Richtung so leer ist wie in der anderen, bis es vor Ratlosigkeit still steht und mit einer Schüssel Hafer zurückzulocken ist. Pepi und Hans waren wohleingefahrene Pferde; sie griffen aus, schlugen die sonnenbeschienene, von Häusern eingezäunte Straße mit den Hufen; die Menschen waren ein graues Gewimmel für sie, das weder Freude noch Schreck verbreitete; die bunten Auslagen der Geschäfte, die in leuchtenden Farben prangenden Frauen – Wiesenstücke, die nicht genießbar sind; die Hüte, Krawatten, Bücher, Brillanten längs der Straße: eine Einöde. Nur die zwei Trauminseln von Stall und Traben hoben sich daraus, und zuweilen erschraken Hans und Pepi wie im Traum oder Spiel vor einem Schatten, drängten an die Deichsel, ließen sich von einem flachen Peitschenschlag wieder erfrischen und lehnten sich dankbar in die Zügel.
    Und plötzlich hatte sich Graf Leinsdorf in den Polstern aufgerichtet und Ulrich gefragt: »Der Stallburg hat mir erzählt, Herr Doktor, daß Sie sich für einen Menschen verwenden?« Ulrich fand in der Überraschung gar nicht gleich den rechten Zusammenhang, und Leinsdorf fuhr fort: »Sehr schön von Ihnen. Ich weiß alles. Ich meine, es wird sich nicht viel tun lassen, das ist ja ein schrecklicher Kerl; aber das unfaßbar Persönliche und Gnadenbedürftige, das jeder Christenmensch in sich hat, zeigt sich oft gerade an so einem Subjekt, und wenn man selbst etwas Großes unternehmen will, soll man am demütigsten der Hilflosen gedenken. Vielleicht kann man ihn noch einmal ärztlich untersuchen lassen.« Nachdem Graf Leinsdorf im Rütteln des Wagens diese lange Rede aufgerichtet von sich gegeben hatte, ließ er sich wieder in die Polster zurückfallen und fügte hinzu: »Aber wir dürfen nicht vergessen, daß wir jetzt im Augenblick alle unsere Kraft einem geschichtlichen Ereignis schuldig sind!«
    Ulrich fühlte eigentlich ein wenig Neigung für diesen naiven alten Aristokraten, der noch immer im Gespräch mit Diotima und Arnheim stand, und fast etwas Eifersucht. Denn die Unterhaltung schien sehr angeregt zu verlaufen; Diotima lächelte, Graf Leinsdorf hielt bestürzt die Augen offen, um folgen zu können, und Arnheim führte in vornehmer Ruhe das Wort. Ulrich fing den Ausdruck auf, »Gedanken in Machtsphären tragen«. Er mochte Arnheim nicht ausstehen, schlechtweg als Daseinsform nicht, grundsätzlich, das Muster Arnheim. Diese Verbindung von Geist, Geschäft, Wohlleben und Belesenheit war ihm im höchsten Grade unerträglich. Er war überzeugt, daß Arnheim schon am Abend vorher alles darauf angelegt hatte, um am Morgen zu dieser Sitzung weder als erster noch als letzter einzutreffen; aber daß er trotzdem bestimmt, ehe er aufbrach, nicht nach der Uhr gesehen hatte, sondern vielleicht zum letztenmal, bevor er sich zum Frühstück niedersetzte und den Vortrag seines Sekretärs empfing, der ihm die Post überreichte: da hatte er die Zeit, die zur Verfügung stand, in die innere Tätigkeit verwandelt, die er bis zum Aufbruch leisten wollte, und wenn er sich dieser Tätigkeit dann mit Unbefangenheit überließ, war er sicher, daß sie genau die Zeit ausfüllen werde, denn das Richtige und seine Zeit hängen durch geheimnisvolle Kraft zusammen wie eine Plastik und der Raum, in den sie gehört, oder ein Speerschütze und das Ziel, das er trifft, ohne hinzusehen. Ulrich hatte schon viel von Arnheim gehört und manches gelesen. In einem seiner Bücher stand, daß ein Mann, der seinen Anzug im Spiegel überwache, zu einer ungebrochenen Handlungsweise nicht fähig sei. Denn der Spiegel, ursprünglich zur Freude geschaffen, so führte er aus, sei zu einem Instrument der Angst geworden, wie die Uhr, die ein Ersatz dafür ist, daß unsere Tätigkeiten sich nicht mehr natürlich ablösen.
    Ulrich mußte sich ablenken, um nicht ungezogen auf die benachbarte Gruppe zu starren, und seine Augen blieben auf dem kleinen Stubenmädchen ruhen, das zwischen den plaudernden Gruppen hindurchstrich und mit ehrfürchtigem Augenaufschlag Erfrischungen anbot. Aber die

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