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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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ging, in eine Wolke liebenswürdig amtlicher Undurchsichtigkeit gehüllt, lautlos und unauffällig, wenn bei Diotima Besuch war oder Besprechungen stattfanden, gab gelegentlich höflich zweckdienliche oder auch tröstlich ironische Bemerkungen dazu, schien sein Dasein in einer abgeschlossenen freundlichen Nachbarwelt zu verbringen, schien immer im Einverständnis mit Diotima zu sein, hatte sogar unter vier Augen immer noch von Zeit zu Zeit einen kleinen Auftrag für sie, begünstigte öffentlich den Verkehr Arnheims in seinem Hause, und in den Stunden, die ihm die wichtigen Sorgen seines Dienstes freiließen, studierte er Arnheims Schriften und haßte Männer, die schreiben, als die Ursache seiner Leiden.
    Denn das war eine Frage, zu der sich die Hauptfrage, aus welchem Grunde Arnheim in seinem Hause verkehre, jetzt zuweilen zuspitzte: Warum schrieb Arnheim? Schreiben ist eine besondere Form des Schwätzen, und schwätzende Männer waren Tuzzi unausstehlich. Er hatte dann das lebhafte Bedürfnis, die Kinnbacken aufeinander zu pressen und durch die geschlossenen Zähne zu spucken wie ein Matrose. Davon gab es natürlich Ausnahmen, die er gelten ließ. Er kannte einige höhere Beamte, die nach ihrer Pensionierung ihre Erinnerungen verfaßt hatten, und auch solche, die zuweilen in den Zeitungen schrieben; Tuzzi erklärte es damit, daß ein Beamter nur schreibt, wenn er unzufrieden oder wenn er ein Jude ist, denn Juden waren nach seiner Überzeugung ehrgeizig und unzufrieden. Sodann hatten große Männer der Praxis Bücher über ihre Erfahrungen geschrieben; aber an ihrem Lebensabend und in Amerika oder höchstens in England. Ferner war Tuzzi ja überhaupt literarisch gebildet und bevorzugte wie alle Diplomaten Memoiren, aus denen man geistvolle Aussprüche und Menschenkenntnis lernen konnte; aber irgendetwas sollte es doch bedeuten, daß solche heute nicht mehr geschrieben werden, und wahrscheinlich handelt es sich da um ein veraltetes Bedürfnis, das einer Zeit neuer Sachlichkeit nicht mehr angemessen ist. Endlich schreibt man auch, weil das ein Beruf ist; das anerkannte Tuzzi voll und ganz, wenn man genügend damit verdient oder unter den nun einmal irgendwie gegebenen Begriff Dichter fällt; er fühlte sich sogar ziemlich geehrt, die Spitzen dieses Berufs bei sich zu sehen, zu dem er bisher die vom Reptilfonds des Auswärtigen Amtes genährten Schriftsteller gerechnet hatte, aber ohne viel nachzudenken, würde er auch die Ilias und die Bergpredigt, die er doch beide sehr verehrte, zu diesen Leistungen gezählt haben, deren Entstehen aus freiwillig oder abhängig ausgeübtem Beruf zu erklären ist. Bloß wie ein Mann gleich Arnheim, der das in gar keiner Weise nötig hatte, dazu kam, so viel zu schreiben, das war etwas, hinter dem Tuzzi jetzt erst recht etwas vermutete, dem er in keiner Weise nähergekommen war.

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Soliman liebt
    SOLIMAN, der kleine Negersklave, oder auch Negerfürst, hatte Rachel, der kleinen Zofe oder auch Freundin Diotimas während dieser Zeit die Überzeugung beigebracht, daß sie die Vorgänge im Hause überwachen müßten, um einem dunklen Plane Arnheims vorzubeugen, wenn der Augenblick gekommen sein werde. Genauer gesagt, er hatte sie zwar nicht überzeugt, aber sie paßten beide wie Verschwörer auf und lauschten jedesmal an der Türe, wenn Besuch da war. Soliman erzählte fürchterlich viel von hin und her reisenden Kurieren und geheimnisvollen Personen, die im Hotel bei seinem Herrn ein und aus gingen, und erklärte sich bereit, einen afrikanischen Fürsteneid darauf abzulegen, daß er die geheime Bedeutung entdecken werde; der afrikanische Fürsteneid bestand darin, daß Rachel ihre Hand zwischen den Knöpfen seiner Joppe und seines Hemdes auf seine nackte Brust legen sollte, während er die Beteuerung aussprechen und mit seiner eigenen Hand Rachel das gleiche tun würde wie sie ihm; aber Rachel wollte nicht. Immerhin, die kleine Rachel, die ihre Herrin an- und auskleiden und für sie telefonieren durfte, durch deren Hände jeden Morgen und Abend Diotimas schwarzes Haar floß, während durch ihre Ohren goldene Reden flossen, diese kleine Ehrgeizige, die auf der Spitze einer Säule gelebt hatte, seit es die Parallelaktion gab, und täglich in den Strömen der Anbetung zitterte, die von ihren Augen zu der gottgleichen Frau aufstiegen, fand seit einiger Zeit ihr Vergnügen daran, diese Frau schlicht und einfach auszuspähen.
    Durch offene Türen aus Nebenzimmern oder durch den zögernd

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