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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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Nachgiebigkeit und strafender Milde anzuwenden sei.
    Als Graf Leinsdorf die Parallelaktion ins Leben rief, galt diese darum bei den Nationalitäten sofort als ein geheimnisvoller pangermanischer Anschlag, und die Anteilnahme, die Se. Erlaucht der Polizeiausstellung bezeigte, wurde in Zusammenhang mit der politischen Polizei gebracht und als Bekräftigung einer Sinnesverwandtschaft gedeutet. Alles das wußten die fremden Beobachter und hatten so viele schreckliche Dinge über die Parallelaktion gehört, wie sie nur wollten. Sie hatten sie im Sinn, während man ihnen vom Empfang der Schauspielerin Vogelsang, vom Puppenhaus der Königin und den streikenden Beamten erzählte oder sie nach ihrer Auffassung der jüngst veröffentlichten Staatsverträge fragte; und obzwar man das Wort vom Geist der Strenge, das der Minister in seiner Ansprache gebraucht hatte, als eine Ankündigung auffassen konnte, wenn man wollte, hatten sie wohl den Eindruck, daß an der Eröffnung der vielberedeten Polizeiausstellung bei unvoreingenommener Prüfung nicht das geringste zu bemerken sei, worüber etwas zu bemerken wäre, aber sie hatten doch auch den Eindruck wie alle anderen, daß etwas Allgemeines und Ungewisses vor sich gehe, das sich der Prüfung augenblicklich noch entziehe.

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Von der Halbklugheit und ihrer fruchtbaren anderen Hälfte; von der Ähnlichkeit zweier Zeitalter, von dem liebenswerten Wesen Tante Janes und dem Unfug, den man neue Zeit nennt
    ES WAR JEDOCH auch unmöglich, von den Vorgängen in den Sitzungen des Konzils eine geordnete Auffassung zu gewinnen. Im allgemeinen war man damals unter vorgeschrittenen Leuten für aktiven Geist; man hatte die Pflicht der Hirnmenschen erkannt, die Führung der Bauchmenschen an sich zu reißen. Außerdem gab es etwas, was man Expressionismus nannte; man konnte nicht genau angeben, was das sei, aber es war, wie das Wort sagte, eine Hinauspressung; vielleicht von konstruktiven Visionen, jedoch waren diese, mit der künstlerischen Überlieferung verglichen, auch destruktiv, darum kann man sie auch einfach struktiv nennen, es verpflichtet zu nichts, und eine struktive Weltauffassung, das klingt ganz respektabel. Es ist jedoch nicht alles. Man war damals tag- und weltzugewandt von innen nach außen, aber auch schon von außen nach innen; das Intellektuelle und der Individualismus galten bereits für überlebt und egozentrisch, die Liebe war wieder einmal unten durch, und man stand im Begriff, die gesunde Massenwirkung der Kitschkunst neu zu entdecken, wenn sie in die Seelen gereinigter Tatmenschen fällt. »Man ist« wechselt, wie es scheint, ebenso schnell wie »Man trägt« und hat mit ihm gemeinsam, daß niemand, wahrscheinlich nicht einmal die an der Mode beteiligten Geschäftsleute, das eigentliche Geheimnis dieses »Man« kennt. Wer sich dagegen auflehnte, würde jedoch unfehlbar den etwas lächerlichen Eindruck eines Mannes machen, der zwischen die Pole einer Faradisationsmaschine geraten ist und gewaltig zuckt und rüttelt, ohne daß man seinen Gegner wahrnehmen kann. Denn der Gegner ist nicht durch die Leute gegeben, welche die vorhandene Geschäftslage mit schnellem Witz ausnützen, sondern ihn bildet die flüssig-luftartige Unfestheit des allgemeinen Zustandes selbst, sein Zusammenströmen aus unzähligen Gebieten, seine unbegrenzte Verbindungs- und Wandlungsfähigkeit, wozu auf seiten der Empfänger noch der Mangel oder das Versagen von geltenden, haltenden und ordnenden Grundsätzen kommt.
    In diesem Wechsel der Erscheinungen Halt finden zu wollen, ist so schwer wie einen Nagel in einen Brunnenstrahl zu schlagen; dennoch gibt es etwas darin, das sich gleich zu bleiben scheint. Denn was geschieht zum Beispiel, wenn die bewegliche Art Mensch einen Tennisspieler genial nennt? Sie läßt etwas aus. Wenn sie ein Rennpferd genial nennt? Sie läßt noch etwas mehr aus. Sie läßt etwas aus, ob sie einen Fußballspieler wissenschaftlich, einen Fechter geistvoll nennt, oder ob sie von der tragischen Niederlage eines Boxers spricht; sie läßt überhaupt immer etwas aus. Sie übertreibt; aber es ist die Ungenauigkeit, welche die Übertreibung verursacht, so wie in einer kleinen Stadt die Ungenauigkeit der Vorstellungen die Ursache davon ist, daß man den Sohn des Kaufhausbesitzers für einen Weltmann hält. Irgendetwas wird schon daran stimmen; und warum sollten nicht auch die Überraschungen eines Champions an die eines Genies und seine Überlegungen an die eines erfahrenen

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