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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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angemessenen Kleinheitsverhältnis zu den Beträgen stehn, die sie für Vergnügungen, Automobile und Waffen ausgibt. Sie schafft auf allen Wegen freie Bahn dem Tüchtigen, aber sorgt vorsichtig dafür, daß er auch der Geschäftstüchtige sei. Sie anerkennt nach einigem Widerstand jede Idee, aber das kommt dann von selbst auch deren Gegenidee zugute. Das sieht so aus wie eine ungeheure Schwäche und Nachlässigkeit; aber es ist wohl auch ein ganz bewußtes Bemühen, den Geist wissen zu lassen, daß Geist nicht alles sei, denn würde auch nur ein einziges Mal mit einer der Ideen, die unser Leben bewegen, restlos, so daß von der Gegenidee nichts übrig bleibt, Ernst gemacht werden, unsere Kultur wäre wohl nicht mehr unsere Kultur!
    Der General hatte eine dicke, kleine Kinderfaust; er ballte sie und klatschte wie mit einem gefütterten Handschuh auf die Platte seines Schreibtisches, während ihm sein Gefühl die Unentbehrlichkeit einer starken Faust bestätigte. Als Offizier besaß er eine Weltanschauung! Der irrationale Rest darin hieß Ehre, Gehorsam, Allerhöchster Kriegsherr, Dienstreglement III. Teil, und als Zusammenfassung von alledem bestand er in der Überzeugung, daß der Krieg nichts ist wie die Fortsetzung des Friedens mit stärkeren Mitteln, eine kraftvolle Art der Ordnung, ohne die die Welt nicht mehr bestehen kann. Die Gebärde, mit der der General auf seinen Tisch geklatscht hatte, wäre ein wenig lächerlich gewesen, wenn eine Faust bloß etwas Athletisches und nicht auch etwas Geistiges, eine Art unentbehrlicher Ergänzung des Geistes bedeuten würde. Stumm von Bordwehr hatte das Zivilistische schon ein wenig satt. Er hatte die Erfahrung gemacht, daß die Bibliotheksdiener die einzigen Menschen sind, die einen verläßlichen Überblick über den Zivilverstand besitzen. Er hatte die Paradoxie des Übermaßes der Ordnung entdeckt, daß ihre Vollendung unvermeidlicherweise Untätigkeit nach sich ziehen müßte. Er hatte etwas Komisches im Gefühl, wie eine Erklärung dafür, warum beim Militär die größte Ordnung und gleichzeitig die Bereitschaft zur Lebenshingabe zu finden sei. Er hatte herausbekommen, daß durch irgendeinen unaussprechlichen Zusammenhang Ordnung zu einem Bedürfnis nach Totschlag führe. Er sagte sich besorgt, daß er in diesem Tempo nicht weiterarbeiten dürfe! »Und was ist denn überhaupt Geist?!« fragte sich der General rebellisch. »Er geht doch nicht um Mitternacht in einem weißen Hemd um; was sollte er also anderes sein als eine gewisse Ordnung, die wir unseren Eindrücken und Erlebnissen geben?! Aber dann,« schloß er entschieden, mit einem beglückenden Einfall »wenn Geist nichts ist als geordnetes Erleben, dann braucht man ihn in einer ordentlichen Welt überhaupt nicht!«
    Aufatmend stellte Stumm von Bordwehr das Konferenzsignal auf Frei, trat vor den Spiegel und strich seine Haare glatt, um vor dem Eintritt seiner Untergebenen alle Spuren von Gemütsbewegung zu beseitigen.

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Bonadea, Kakanien; Systeme des Glücks und Gleichgewichts
    WENN ES IN KAKANIEN jemand gab, der von Politik nichts verstand, noch wissen wollte, so war dies Bonadea; und doch bestand zwischen ihr und den unerlösten Nationen ein Zusammenhang: Bonadea (nicht zu verwechseln mit Diotima; Bonadea, die gute Göttin, Göttin der Keuschheit, deren Tempel durch Verkettung des Schicksals zum Schauplatz von Ausschweifungen geworden war, Gattin eines Landesgerichtspräsidenten oder dergleichen und unglückliche Geliebte eines Mannes, der ihrer weder würdig noch genügend bedürftig war) besaß ein System, und die Politik in Kakanien besaß keines.
    Bonadeas System hatte bisher in einem Doppelleben bestanden. Sie stillte ihren Ehrgeiz in einem gehoben zu nennenden Familienkreis und empfing auch in ihrem gesellschaftlichen Verkehr die Genugtuung, für eine hochgebildete und distinguierte Dame zu gelten; gewissen Verlockungen, denen ihr Geist ausgesetzt war, gab sie aber mit der Ausrede nach, daß sie das Opfer einer überreizten Konstitution sei, oder auch, daß sie ein Herz habe, welches zu Torheiten verleite, denn Torheiten des Herzens sind ähnlich ehrenvoll wie romantisch-politische Verbrechen, selbst wenn ihre Begleitumstände nicht ganz einwandfrei sein sollten. Das Herz spielte dabei die gleiche Rolle wie Ehre, Gehorsam und des Dienstreglements III. Teil im Leben des Generals oder wie der irrationale Rest in jedem geordneten Lebensverhalten, der zuletzt alles in Ordnung bringt, was der Verstand

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