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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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trotz aller Abneigung dagegen war er bis in die Abschweifungen hinein methodisch, »es ist möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß Adel nicht immer gerade das bezeichnet hat, was wir heute eine adelige Gesinnung nennen. Um die Ländermassen zusammenzubekommen, auf denen sich später seine Vornehmheit aufbaute, wird er nicht weniger berechnend und beflissen gewesen sein, als es heute ein Kaufmann ist, ja möglicherweise vollzieht sich das Geschäft des Kaufmanns sogar ehrlicher. Aber im Boden liegt eine Kraft, verstehst du, ich meine, in der Ackerscholle lag sie, in der Jagd, im Krieg, im Glauben an den Himmel und im Bauernhaften, mit einem Wort in dem körperlichen Leben dieser Menschen, die weniger ihren Kopf regten als ihre Arme und Beine, in der Nähe der Natur lag die Kraft, die sie schließlich würdig, vornehm und allem Gemeinen abgeneigt gemacht hat.«
    Er überlegte, ob er sich durch seine Stimmung nicht habe verleiten lassen, zuviel zu sagen. Wenn Soliman den Sinn nicht verstand, war dieser Junge imstande, durch die Worte seines Herrn seine Ehrerbietung vor dem Adel herabmindern zu lassen. Aber da geschah etwas Unerwartetes. Soliman war schon eine Weile unruhig hin und her gerutscht, und nun unterbrach er seinen Herrn mit einer Frage. »Bitte,« fragte Soliman »mein Vater ist ein König?«
    Arnheim sah ihn verblüfft an. »Ich weiß nichts davon« antwortete er halb streng, halb belustigt. Aber während er in Solimans ernstes, fast zorniges Gesicht blickte, gewann etwas wie Rührung Macht über ihn. Er liebte es, daß dieser Junge alles ernst nahm; »er ist ganz witzlos« dachte er »und eigentlich voll Tragik«; irgendwie schien ihm Witzlosigkeit mit Schwere und Erfülltheit eines Lebens das gleiche zu sein. Mit sanfter Belehrung gab er dem Knaben weiter Antwort: »Es spricht wenig dafür, daß dein Vater ein König sei, ich glaube eher, er wird irgendeinen untergeordneten Beruf ausgeübt haben, denn ich habe dich in einer Truppe von Gauklern in einer Küstenstadt gefunden.«
    »Was habe ich gekostet?« unterbrach Soliman forschend.
    »Aber mein Lieber, wie kann ich das heute noch wissen! Keinesfalls viel, nehme ich an. Gewiß nicht viel! Aber was kümmert dich alles das? Wir werden geboren, um uns unser Königreich selbst zu schaffen! Ich werde dich vielleicht nächstes Jahr einen Handelskurs mitmachen lassen, und danach könntest du als Lehrling in irgendeinem unserer Büros beginnen. Es wird natürlich von dir abhängen, was du erreichst, aber ich werde ein Auge auf dir haben. Du könntest zum Beispiel später unsere Interessen dort vertreten, wo die Farbigen schon etwas mitzureden haben; man müßte da natürlich sehr vorsichtig vorgehen, aber immerhin könnte sich aus der Tatsache, daß du ein schwarzer Mann bist, mancher Vorteil für dich ergeben. In der Tätigkeit würdest du auch erst ganz erkennen, wieviel dir die Jahre genützt haben, die du unter meiner unmittelbaren Aufsicht zugebracht hast, und das eine kann ich dir jetzt schon sagen: du gehörst einer Rasse an, die noch etwas vom Adel der Natur besitzt. In den mittelalterlichen Rittersagen haben schwarze Könige immer eine ehrenvolle Rolle gespielt. Wenn du das in dir pflegst, was geistig adelig ist, deine Würde, deine Güte, Offenheit, den Mut zur Wahrheit und den noch größeren Mut, dich der Unduldsamkeit, Eifersucht, Mißgunst und der kleinen nervösen Gehässigkeit zu enthalten, von denen die meisten Menschen heute gezeichnet sind, wenn du das zustande bringst, wirst du sicher auch deinen Weg als Kaufmann gehen, denn es ist unsere Aufgabe, der Welt nicht nur Waren zu bringen, sondern auch eine bessere Form des Lebens.«
    Da Arnheim lange nicht so vertraut mit Soliman gesprochen hatte, fühlte er, daß es ihn vor einem Zuhörer lächerlich machen würde, aber es war keiner da, und überdies war das, was er sagte, nur die Decklage tieferer Gedankenverbindungen, die er für sich behielt. So bewegte sich gleich das, was er von adeliger Gesinnung und dem Werden des Adels vorbrachte, weiter innen genau in der entgegengesetzten Richtung zu der seiner Worte. Da drängte sich ihm der Gedanke auf, daß noch niemals seit Bestehen der Welt etwas aus geistiger Reinheit und guter Gesinnung allein entstanden sei, sondern alles nur aus Gemeinheit, die sich mit der Zeit die Hörner abläuft, und am Schluß entsteht sogar die große und reine Gesinnung aus ihr! Ganz offenbar, dachte er, ruht das Werden der Adelsgeschlechter ebensowenig wie das einer

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