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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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denen der Liebe zu einem Unwürdigen ähnlich, wo die beleidigte Seele von einem verächtlichen Hang nach körperlicher Unterwerfung geplagt wird. In seltsamem Gegensatz dazu, aber vielleicht doch einfach und natürlich als eine Sehnsucht nach Frieden damit zusammenhängend, befand sich die Ahnung, daß sie niemals heiraten und am Ende aller Träume ein einsam ruhig tätiges Leben führen werde. Es war das kein aus Überzeugungen geborener Wunsch, denn Gerda sah, was sie anging, nicht klar; eher eine der Ahnungen, wie sie unser Leib mitunter weit früher hat als unser Verstand. Auch der Einfluß, den Hans auf sie ausübte, hing damit zusammen. Hans war ein unscheinbarer Junge, knochig, ohne groß oder kräftig zu sein, wischte sich seine Hände im Haar oder an den Kleidern ab und sah bei jeder Gelegenheit in einen kleinen, runden, blechgefaßten Taschenspiegel, weil ihn auf seiner ungepflegten Gesichtshaut immer irgendeine Pustel beunruhigte. Aber genau so stellte sich Gerda die ersten römischen Christen vor, die sich, den Verfolgungen trotzend, unter der Erde in den Katakomben zusammenfanden; den Taschenspiegel wahrscheinlich ausgenommen. Genau so, hieß ja auch nicht Übereinstimmung in allen Einzelheiten, wohl aber in einem allgemeinen Grund- und Schreckensgefühl, das sie mit den Vorstellungen von Christentum verband; die gebadeten und gesalbten Heiden hatten ihr immer besser gefallen, aber sich zu den Christen zu bekennen, bedeutete ein Opfer, das man seinem Charakter schuldig war. Die höheren Erfordernisse hatten damit für Gerda einen muffigen leichten Abscheugeruch gewonnen, und dieser war sehr geeignet, sich mit der mystischen Gesinnung zu verbinden, deren Gefilde Hans vor ihr eröffnete.
    Ulrich kannte diese Gesinnung sehr gut. Man muß es vielleicht dem Spiritismus danken, daß er durch seine komischen, an den Geist verstorbener Köchinnen erinnernden Rapporte aus dem Jenseits das grobe metaphysische Bedürfnis befriedigt, das wenn nicht Gott, so wenigstens die Geister wie eine Speise löffeln will, die im Dunkel eiskalt den Hals hinunterrinnt. In älteren Zeiten bildete dieses Bedürfnis, mit Gott oder seinen Gefährten persönlich in Berührung zu kommen, was angeblich im Zustand der Extase geschah, trotz seiner zarten und teilweise wunderbaren Ausgestaltung doch eine Vermengung grob irdischen Verhaltens mit den Erlebnissen eines äußerst ungewöhnlichen und unbestimmbaren Ahnungszustandes. Das Metaphysische war das in diesen Zustand hineingelegte Physische, ein Abbild irdischer Wünsche, denn man glaubte in ihm das zu sehen, wovon die zeitgemäßen Vorstellungen lebhaft erwarten machten, daß man es sehen könne. Nun sind es aber gerade die Vorstellungen der Intelligenz, was sich mit den Zeiten ändert und unglaubwürdig wird; wenn jemand heute erzählen wollte, Gott habe mit ihm gesprochen, habe ihn schmerzhaft an den Haaren gepackt und zu sich emporgezogen oder sei in einer nicht recht begreiflichen, aber lebhaft süßen Weise in seine Brust hineingeschlüpft, so würde diesen bestimmten Vorstellungen, in die er sein Erlebnis kleidet, niemand glauben, am wenigsten natürlich die amtlichen Gottesmänner, weil sie als Kinder eines vernünftigen Zeitalters eine recht menschliche Angst davor haben, von exaltierten und hysterischen Anhängern bloßgestellt zu werden. Das hat zur Folge, daß man entweder Erlebnisse, die im Mittelalter wie im antiken Heidentum zahlreich und deutlich vorhanden gewesen sind, für Einbildungen und Krankheitserscheinungen halten muß oder vor die Vermutung gestellt wird, daß in ihnen etwas enthalten sei, was unabhängig von der mythischen Verbindung ist, in die man es bisher immer gebracht hat; ein reiner Erlebniskern, der auch nach strengen Erfahrungsgrundsätzen glaubwürdig sein müßte und dann selbstverständlich eine überaus wichtige Angelegenheit bedeuten würde, beiweitem ehe man an die zweite Frage kommt, welche Schlüsse daraus auf unsere Beziehungen zur Überwelt zu ziehen seien. Und während der in die Ordnung der theologischen Vernunft gebrachte Glaube überall einen argen Kampf mit Zweifel und Widerspruch der heute herrschenden Vernunft zu bestehen hat, scheint es, daß sich in der Tat das nackte, aller überkommenen begrifflichen Glaubenshüllen entschälte, von den alten religiösen Vorstellungen losgelöste, vielleicht kaum noch ausschließlich religiös zu nennende Grunderlebnis des mystischen Erfaßtwerdens ungeheuer ausgebreitet hat, und es bildet die

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