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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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grammatikalischer Schatten von Egoismus bleibe auf allem Tun haften, solange es keine Prädikate ohne Subjekt gebe.
    Aber Hans lehnte heftig ab. Er und seine Freunde stritten, wie man leben solle. Manchmal nahmen sie an, daß jeder zunächst für sich und dann erst für alle leben müsse; ein andermal waren sie überzeugt, daß jeder ganz wahrhaft nur einen Freund haben könne, aber dieser doch wieder einen anderen Freund brauche, wonach sich ihnen die Gemeinschaft als eine Seelenverbindung im Kreis, nach Art des Farbenspektrums oder anderer gliedweisen Verkettungen darstellte; am liebsten aber glaubten sie daran, daß es ein seelisches, von der Ichsucht bloß überschattetes Gesetz des Gemeinschaftsinns gebe, eine innere, ungeheure, noch nicht ausgenützte Lebensquelle, der sie abenteuerliche Möglichkeiten zuschrieben. Nicht ungewisser kann sich der Baum, im Walde kämpfend und vom Wald gehegt, vorkommen, als empfängliche Menschen heute die dunkle Wärme der Masse, ihre Bewegungskraft, die molekular unsichtbaren Vorgänge ihres unbewußten Zusammenhaltens empfinden, die sie bei jedem Atemzug daran erinnern, daß der Größte wie der Kleinste nicht allein sei; so erging es auch Ulrich; er sah wohl klar, daß der gezähmte Egoismus, aus dem sich das Leben aufbaut, ein geordnetes Gefüge ergibt, wogegen der Atem der Gemeinsamkeit nur ein Inbegriff unklarer Zusammenhänge bleibt, und er war für seine Person sogar ein zur Absonderung neigender Mensch, aber es ging ihm eigentümlich nahe, wenn die jungen Freunde Gerdas ihre ausschweifende Behauptung von der großen Mauer aufstellten, die überstiegen werden müsse.
    Hans spulte, bald leiernd, bald stoßend, die Augen, ohne zu sehen, vorausgerichtet, seine Glaubenssätze ab. Eine unnatürliche Trennung laufe durch die Schöpfung und teile sie wie einen Apfel, dessen beide Hälften daran austrocknen. Man müsse sich darum auf künstliche und widernatürliche Weise heute aneignen, womit man vordem eins war. Man könne aber diese Trennung aufheben, durch irgendein Sich-öffnen, ein geändertes Verhalten, denn je mehr jemand sich vergessen, auslöschen, von sich abrücken könne, desto mehr Kraft für die Gemeinschaft werde in ihm frei, so als würde sie aus einer falschen Verbindung befreit; und zugleich müsse er, je mehr er sich der Gemeinschaft nähere, desto eigener werden; denn folgte man Hans, so erfuhr man auch, daß der Grad der wahren Originalität nicht im eitlen Besonderssein beschlossen liege, sondern durch das Sich-öffnen entstehe, in steigende Grade des Teilnehmens und der Hingabe hinein, vielleicht bis zu dem höchsten Grad einer Gemeinschaft der ganz von der Welt aufgenommenen, vollendet Ichlosen, den man auf diese Weise zu erreichen vermöchte!
    Diese scheinbar durch nichts auszufüllenden Sätze ließen Ulrich träumen, wie man ihnen einen wirklichen Inhalt geben könnte, aber er fragte Hans bloß kühl, wie er es mit diesem Sichöffnen und dergleichen wohl in der Ausführung anstellen möchte?
    Hans hatte dafür unermeßliche Worte; das transzendente an Stelle des Sinnenichs, das gotische Ich an Stelle des naturalistischen, das Reich der Wesenheit an Stelle der Erscheinung, das unbedingte Erlebnis und ähnliche gewaltige Substantiva, die er seinem Inbegriff unbeschreiblicher Erfahrungen unterschob, wie das, nebenbei bemerkt, zum Schaden der Sache und Erhöhen ihrer Würde eine verbreitete Gepflogenheit ist. Und weil sich der Zustand, der ihm zuweilen, vielleicht auch oft vorschwebte, niemals länger als über Augenblicke kurzen sich Versinnens halten ließ, tat er auch noch das übrige, zu behaupten, das Jenseitige offenbare sich eben heute nicht deutlicher als sprunghaft, in überkörperlicher, begreiflicherweise schwer festzuhaltender Schauung, deren Niederschlag höchstens große Kunstwerke seien; er kam auf sein Lieblingswort Symbol für diese und andere übernatürlich aufgerichtete Zeichen des Lebens zu sprechen und schließlich auf das germanische, den Trägern versprengten Germanenbluts zugeeignete Erlebnis, solches zu schaffen und schauen; auf diese Weise einer sublimen Variante nach dem Muster »Gute alte Zeit« gelang es ihm, bequem zu erklären, daß das dauernde Ergreifen des Wesenhaften der Vergangenheit angehöre und der Gegenwart entzogen sei, und die Auseinandersetzung war ja gerade von dieser Behauptung ausgegangen.
    Ulrich war ärgerlich über dieses abergläubische Geschwätz. Es war lange Zeit für ihn eine unentschiedene Frage

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