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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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Zusammengehörigkeit, die ihm weit ursprünglicher vorkam, als es die gewöhnliche, durch Verstand, Moral und kluge Sicherungen besorgte ist, machte eine freie, lockere Gemeinschaft aus ihnen. Er dachte an einen großen Blumenstrauß, von dem man die Bindfäden genommen hat, so daß er sich öffnet, ohne doch auseinander zu fallen; und er dachte an einen Körper, von dem man die Kleidung entfernt hat, so daß die lächelnde Nacktheit hervorkommt, die keine Worte hat, noch braucht. Als er aber, rascher ausschreitend, bald auf einen großen Trupp bereitgehaltener Polizei stieß, machte auch das keine Störung aus, und der Anblick entzückte ihn wie ein Feldlager, das den Alarm erwartet und mit seinen vielen roten Halskragen, abgesessenen Reitern und der Bewegung einzelner Mannschaften, die ihr Einrücken oder Abgehen meldeten, seine Sinne kriegerisch aufregte.
    Hinter dieser Absperrungslinie fiel Walter, obgleich sie sich noch nicht geschlossen hatte, sofort das dunklere Straßenbild auf; man sah fast keine Frauen auf den Wegen, und auch die bunten Uniformen müßiggängerischer Offiziere, die sonst diese Gassen belebten, schien die herrschende Ungewißheit eingeschluckt zu haben. Gleich ihm selbst strebten aber viele Leute stadteinwärts, und der Eindruck, den ihre Bewegung machte, war nun ein anderer; er erinnerte an Spreu und Abschnitzel, die ein starker Windstoß hinter sich her zieht. Er sah auch bald die ersten Gruppen, die sich aus ihnen bildeten und, wie es schien, nicht nur von Neugierde, sondern ebensosehr von der Unentschlossenheit zusammengehalten wurden, ob man dem ungewöhnlichen Reiz weiter folgen oder umkehren solle. Auf seine Fragen erhielt Walter verschiedene Antworten. Die einen, an die er sich wandte, erwiderten, daß eine große Kundgebung der Staatstreue im Gange sei, die anderen glaubten gehört zu haben, daß sich die Kundgebung gegen gewisse allzu betriebsame Patrioten richte, und ebenso geteilt waren die Meinungen in der Frage, ob die alle beherrschende Erregung eine Erregung des deutschen Volkes über die Nachgiebigkeit der Regierung sei, welche die slawischen Wünsche begünstige, was die meisten glaubten, oder ob die Erregung regierungsfreundlich sei und zu einem Aufmarsch aller gutgesinnten Kakanier gegen die unaufhörlichen Unruhen auffordere. Es waren Mitläufer wie er, und Walter erfuhr nichts, was er nicht schon in seinem Büro erzählen gehört hätte, aber ein Hang zu schwätzen, über den er nicht Herr wurde, hieß ihn immer weiter fragen. Und ob ihm die Leute, denen er sich anschloß, mitteilten, daß sie selbst nicht wüßten, was los sei, oder ob sie lachten und über ihre eigene Neugierde spotteten, so hörte er doch, je weiter er kam, desto einmütiger den ernsten Nachsatz, daß irgend etwas endlich einmal geschehen müsse, wenn sich auch niemand freiwillig bereit fand, ihm zu erklären, was. Und je weiter er auf diese Weise kam, desto öfter bemerkte er auf den Gesichtern, in die er blickte, etwas unvernünftig Überströmendes und über die Vernunft Wegströmendes, es schien wahrhaftig schon gleichgültig zu sein, was dort geschah, wohin es alle zog, und zu genügen, daß es etwas Ungewöhnliches sei, um sie außer sich zu bringen; und obwohl dieses »Außer sich geraten« nur in jenem abgeschwächten Wortsinn zu verstehen war, der eine sehr gewöhnliche leichte Erregung bedeutet, spürte man doch darin eine ferne Verwandtschaft mit vergessenen Zuständen der Verzückung und Verklärung, gleichsam eine wachsende unbewußte Bereitschaft, aus Kleidern und Haut zu fahren.
    Und Walter ordnete sich, Vermutungen austauschend und Dinge redend, die wenig zu ihm paßten, den anderen ein, die sich aus abbröckelnden Gruppen Wartender und halbschlüssig Weitergehenden zu einem Zug formten, der sich gegen den vermuteten Schauplatz bewegte und ohne bestimmte Absicht zusehends an Dichte und innerer Kraft gewann. Aber noch hatten alle diese Empfindungen etwas von Kaninchen, die um den Bau huschen und in jedem Augenblick bereit sind, darin zu verschwinden, als sich von der Spitze des ungeordneten Zugs, die man nicht sehen konnte, bis zu seinem Ende eine bestimmtere Erregung fortpflanzte. Ein Trupp Studenten oder anderer junger Leute, der bereits irgendwas getan hatte und »aus der Schlacht« kam, war dort zu der Menge gestoßen; man hörte etwas, das man nicht verstand, verstümmelte Botschaften und Wellen stummer Erregung liefen von vorne nach hinten, und die Leute empfanden, je nach ihrer

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