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Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition)

Titel: Der Mann ohne Eigenschaften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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einer Schürze die Gedanken beisammen, durch deren Hilfe sie mit Ulrich »menschlich zusammenfinden« wolle, ehe das geschehen dürfe, was erst die Krönung sein sollte; aber es kam ihr vor, daß ihr Gesicht immer blöder und leerer werde, und wie eine leere Schale schwebte es schließlich empor und lag mit den Augen unter den Augen des Verführers.
    Er beugte sich hinab und bedeckte es mit den rücksichtslosen Küssen, die das Fleisch in Bewegung setzen. Gerda stand willenlos auf und ließ sich führen. Es waren ungefähr zehn Schritte, die sie bis in Ulrichs Schlafzimmer zurückzulegen hatten, und das Mädchen stützte sich auf, wie ein schwer Verwundeter oder Kranker. Fremd kam ein Fuß vor den anderen, obgleich sie sich nicht schleppen ließ, sondern freiwillig ging. Eine solche Leere trotz solcher Erregung hatte Gerda noch nicht erlebt; sie meinte, ihr Blut habe sie verlassen, es war ihr eiskalt, sie kam an einem Spiegel vorbei, der ihr Bild in viel zu großer Entfernung zu zeigen schien, trotzdem bemerkte sie darin, daß ihr Gesicht kupferrot war, mit blassen Flecken. Und plötzlich, so wie bei Unglücksfällen der Blick oft eine überempfindliche Aufnahmefähigkeit für alles Gleichzeitige hat, sah sie das geschlossene Männerschlafzimmer mit allen seinen Einzelheiten rings um sich. Es fiel ihr ein, daß sie mit mehr Klugheit und Berechnung vielleicht als Frau hätte hier einziehen können; es würde sie sehr glücklich gemacht haben, aber sie suchte nach Worten, um zu sagen, daß sie keinen Vorteil wolle, sondern nur sich schenken; diese Worte fand sie nicht, sagte zu sich: »Es muß sein!« und öffnete den Kragen ihres Kleides.
    Ulrich hatte sie losgelassen; er brachte es nicht über sich, den zarten Beistand der Liebe beim Entkleiden zu leisten, stand abseits und warf seine eigenen Kleider ab. Gerda gewahrte den schlank aufgerichteten mächtigen Körper des Mannes in seinem Gleichgewicht von Gewalttätigkeit und Schönheit. Erschreckt wurde sie gewahr, daß sich ihr eigener Körper, obgleich sie noch in Unterkleidern dastand, mit einer Gänsehaut überzog. Wieder suchte sie nach Worten, die ihr helfen sollten; sie stand allzu jämmerlich da! Was sie sagen wollte, sollte Ulrich in der Weise zu ihrem Geliebten machen, die ihr vorschwebte, in einer unendlich süßen Auflösung, die zu erreichen man gar nicht tun mußte, was sie zu tun im Begriffe stand. Es war ebenso wundervoll wie undeutlich. Sie sah sich einen Augenblick lang mit ihm in einem grenzenlosen Feld von Kerzen stehen, die wie Reihen Stiefmütterchen im Boden staken und auf ein einziges Zeichen zu ihren Füßen aufflammten. Aber da sie kein Wort davon hervorbringen konnte, fühlte sie sich bestürzend häßlich und erbärmlich, ihre Arme zitterten, sie war nicht imstande, sich zu Ende zu entkleiden, und ihre blutlosen Lippen schlossen sich fest aneinander, um nicht unheimlich wortleere Bewegungen auszuführen.
    Bei diesem Stand der Dinge trat Ulrich, der ihre Qual und die Gefahr bemerkte, daß alles zunichte werden könnte, was mit so viel Überwindung bis hieher gefördert worden war, auf sie zu und löste ihr Achselband. Gerda schlüpfte wie ein Knabe ins Bett. Ulrich sah einen Augenblick lang die Bewegung eines nackten jungen Menschen; es hatte mit Liebe nicht mehr zu tun wie das Aufblinken eines Fisches. Er glaubte zu erraten, daß Gerda sich entschlossen habe, ein Geschehnis so rasch wie möglich zu überstehen, das nicht mehr zu vermeiden war, und noch nie war es ihm so klar geworden wie in der Sekunde, wo er ihr folgte, wie sehr das leidenschaftliche Eindringen in einen fremden Körper eine Fortsetzung der kindischen Neigung für heimliche und verbrecherische Verstecke ist. Seine Hände stießen auf die noch immer von Angst gerauhte Haut des Mädchens, und er selbst fühlte sich erschreckt statt hingezogen. Er mochte diesen Körper nicht, der halb schon schlaff und halb noch unreif war; was er tat, kam ihm völlig sinnlos vor, und er würde am liebsten die Flucht aus dem Bett ergriffen haben, die zu verhindern er alles an Gedanken aufbieten mußte, was sich dazu eignete. So kam es, daß er sich in verzweifelter Eile alles einredete, was es heute an allgemeinen Gründen gibt, um sich ohne Ernst, ohne Glauben, ohne Rücksicht und ohne Befriedigung zu betragen; und er fand darin, daß er sich dem ohne Widerstand überließ, zwar nicht die Ergriffenheit der Liebe, wohl aber eine halb verrückte, an ein Gemetzel, einen Lustmord, oder wenn es das

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