Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Titel: Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Boyle
Vom Netzwerk:
noch Geld hatte. In diesem Jahr würde es anders ablaufen müssen. Sogar miese Kaschemmen schienen an Silvester Eintritt zu verlangen, und selbst in bescheidenen Nachtklubs fingen die Eintrittspreise bei 20 Pfund an, und Getränke wurden zu Höchstpreisen verkauft. Für mich war das ohne Bedeutung. Ich konnte mir noch nicht mal leisten, einen Blick auf den Barkeeper zu werfen, und ihn um einen Drink zu bitten, konnte ich erst recht vergessen. Selbst meine Eltern feierten. Meine Kumpels gingen wie immer aus, doch um mir selbst die seelische Pein zu ersparen, die ich beim Junggesellenabschied erlebt hatte, blieb ich zu Hause. Als das Jahr 2008 sich dem Ende zuneigte, lag ich im Bett und schrieb den Anfang dieses Buches.
    Das erwies sich letzten Endes als Segen. Ausnahmsweise begann ich das neue Jahr ohne das Gefühl, als hätte jemand jeden Milliliter Wasser aus meinem Körper abgelassen, meinen Kopf in eine Schraubzwinge geklemmt und würde mir wiederholt mit einem Gummihammer auf den Hinterkopf schlagen. Am frühen Morgen machte ich mit meiner Familie einen wunderbaren Spaziergang am verlassenen Strand und freute mich auf das neue Jahr, anstatt mir zu wünschen, jemand möge mir mit einer rostigen Säge den Kopf vom restlichen Körper abtrennen. Ich beschloss, ab jetzt Silvester immer so zu verbringen, egal, ob ich Geld hatte oder nicht.
    Normalerweise stand ich am 1. Januar auf und schrieb eine ellenlange Liste mit Dingen, die ich mir vornahm, im neuen Jahr zu tun (oder zu lassen). Aber was sollte ich denn noch aufgeben, was ich nicht schon aufgegeben hatte? Viel blieb nicht mehr übrig. Essen? Wasser? Sauerstoff? Die Hoffnung? Um mir Letztere zu bewahren, beschloss ich, die guten Vorsätze fallen zu lassen – irgendwann war es schließlich genug.
    Rückkehr in den Kühlschrank
    Ehe ich mich’s versah, war Weihnachten vorbei, und ich musste nach Bristol zurückkehren. Dieses Mal musste ich meine Reise unterbrechen, damit ich meinen Teil des Handels erfüllen konnte, indem ich bei Seoige über meine bisherigen Erfahrungen sprach. Und für den Sender war es ein Schnäppchen. Taxifahrten konnte ich von denen nicht annehmen, ihr Essen auch nicht: Es war nicht vegan, keine Biokost und auch nicht einheimischen Ursprungs.
    Das Interview lief gut, obwohl ich merkte, dass Gráinne, die Moderatorin, nicht mein größter Fan war. Das war okay, und ich konnte ihr keinen Vorwurf daraus machen. Sie hatte ihr halbes Leben damit verbracht, beim Fernsehen die Karriereleiter zu erklimmen, um dorthin zu gelangen, wo sie viel Geld verdienen konnte. Mag sein, dass es den Anschein hatte, als würde ich ihre Lebensform als unethisch bezeichnen. Nach den Nettigkeiten und den »harten« Fragen (die ich schon eine Million Mal gehört hatte) versuchte Gráinne es mit einer überraschenden Frage. »Sie wurden mit folgender Aussage zitiert: ›Wenn man 1000 Pfund auf dem Konto hat und ein Kind in Eritrea verhungert, trägt man in gewisser Hinsicht ein Stück Verantwortung für den Tod des Kindes.‹ Sollten Sie nicht Geld verdienen und es den Wohlfahrtseinrichtungen in den Entwicklungsländern geben?«, fragte mich Gráinne mit einem schadenfrohen Grinsen. »Von einem System zu profitieren und es zu unterstützen, das diese Menschen von vornherein in Armut leben lässt und dann einen Teil seiner Profite in Form von an gewisse Bedingungen geknüpften Hilfen oder als Weltbank- und IWF -Kredite weitergibt, ist nicht lächerlicher, als wenn Shell oder Esso Greenpeace oder den Friends of the Earth als Unterstützung 10000 Pfund zur Verfügung stellt, damit die Umweltverbände etwas gegen die Umweltzerstörung tun können, die die Ölkonzerne unweigerlich verursachen. Wäre es nicht besser, wenn diese Zerstörung gar nicht erst stattfände?«, antwortete ich und fügte schnell hinzu: »Aber ja, wenn Sie darauf bestehen, dass man Geld verdient und als Nation kollektiv auf dem Rücken der Ärmeren reitet, dann sollte man den Wohlfahrtsverbänden so viel wie möglich geben.«
    Nur Sekunden nachdem ich die Namen zweier großer, weltweiter Ölkonzerne erwähnt hatte, die beide auf RTE Werbung machten, bemerkte ich, dass Gráinne über ihren Knopf im Ohr vom Produzenten Anweisungen erhielt. Plötzlich war das Interview zu Ende. Meine Intuition sagte mir, dass sie meine Anspielung auf das unrühmliche Verhalten von zwei ihrer größten Finanzierer nicht schätzen, und sie befürchteten wahrscheinlich, dass ich für eine nette Lifestylesendung am

Weitere Kostenlose Bücher