Der Marathon-Killer: Thriller
in Teheran zu gewährleisten, und erst später lawinenartig außer Kontrolle geraten war und sie schließlich von den Amerikanern angeworben wurde, was ihr den perfekten Schutz bei der Maulwurfjagd im MI6 bot.
Leila hatte die Drohungen des VEVAK gegen ihre Mutter sicherlich zu Recht ernst genommen. Am Tag vor dem Präsidentenbesuch im Lotustempel hatte ein Pöbel aus den armen Vororten von Teheran eine alte Bahai-Frau auf die Straße verschleppt und gesteinigt. In der Nacht war sie an den Folgen gestorben. Hatte der VEVAK schon den Verdacht gehabt, dass Leila die Nerven verlor?
Marchant wandte sich vom Fluss ab und schaute sich nach einem Geräusch um. Ein gelber London Duck kam
die Rampe herunter. Das Amphibienfahrzeug blieb neben Marchant stehen, und er entdeckte Fielding im Bug.
»Steigen Sie ein«, rief er Marchant zu.
Zwei Minuten später saß Marchant vorn im Duck, der auf Westminster zufuhr und für seinen Geschmack viel zu tief im Wasser lag. Aber seine Abneigung gegen das Wasser hatte ganz spezielle Gründe, und er nahm sich ein Beispiel an den anderen Passagieren hinter ihm, die sich keinerlei Sorgen zu machen schienen.
»Ich wollte schon immer mit einem dieser verdammten Dinger fahren«, sagte Fielding, »und mir anhören, was diese Schipper über Legoland erzählen.«
»Und?«
»Den gewöhnlichen Bond-Unsinn über das Büro von M. Immerhin hat er zu den richtigen Fenstern gezeigt. Ich muss mich hinterher mal mit ihm unterhalten. Geht es Ihnen gut? Das war wahrhaftig eine Sitzung, für die sich das Einfliegen gelohnt hat.«
»Die Amerikaner halten also weiterhin an ihrer Geschichte fest?«
»Das ist die Lüge, die allen den größten Nutzen bringt. Und wir haben einen Hebel in die Hand bekommen, was Ihren Vater betrifft.«
»Manchmal frage ich mich, ob Dhar wusste, dass Leila der Maulwurf war.«
»Und er sie deshalb erschossen hat? Das bezweifele ich.«
»Zwischen ihm und meinem Vater hat eine innige Bindung bestanden. Dhar hat ihn sehr gemocht, obwohl sie sich nur einmal getroffen haben. Dieser Anschlag auf die US-Botschaft in Delhi - ich habe die Daten noch einmal
überprüft. Er hat kurz nach dem Tod meines Vaters stattgefunden. Dhar war an dem Tag wahrscheinlich außer sich vor Wut.«
»Um Rache zu nehmen, wäre es doch viel befriedigender gewesen, den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu töten als Leila.«
Marchant war nicht so sicher, aber er wusste, seine Gefühle waren noch zu frisch und verwirrt, um klar einzuschätzen, was überhaupt geschehen war und weshalb. Leila hatte seinen Vater verraten; jetzt war sie tot, getötet von dessen Sohn. Es schien, als wären hier höhere Mächte am Werk gewesen.
»Paul Myers hat mich heute Nachmittag aus Cheltenham angerufen. Er wollte es Ihnen selbst erzählen, aber er war umsichtig genug, den offiziellen Dienstweg nicht zu umgehen.«
Der Duck fuhr am London Eye vorbei, und als er wendete und wieder flussaufwärts fuhr, sank er noch tiefer ins Wasser.
»Wie geht es ihm? Er war ein bisschen in Leila verknallt.«
»Angeschlagen. Armstrongs Leute sind nicht gerade zimperlich mit ihm umgegangen. Er hat einen E-Mail-Account entdeckt, den er für Leilas hält.«
»War irgendetwas drin?« Einen Moment lang hoffte Marchant, sie habe ihm vielleicht etwas geschrieben, in dem sie alles erklärte, aber er wusste, eine so einfache Antwort würde er nicht bekommen.
»Leerer Eingang, keine gesendeten Nachrichten. Aber das hier hat er im Entwürfe-Ordner gefunden, und zwar mit einer leeren E-Mail, die an Sie adressiert war.«
Fielding griff in die Brusttasche seiner Jacke und reichte Marchant den verpixelten A4-Ausdruck eines Fotos. Es war ein kleiner indischer Junge, der in die Kamera starrte und die Hand einer Frau hielt. Beide standen steif da und lächelten nicht.
»Das Bild ist datiert«, sagte Fielding, »unten in der Ecke. Die Datei hatte den Namen ›Pradeeps Sohn, gesund und munter‹.«
Marchant betrachtete es einen Moment lang und war dankbar, dass der Sohn des Marathonattentäters lebte. Der VEVAK hatte offensichtlich entschieden, Pradeep habe mit seinem öffentlichen Tod auf der Tower Bridge genug geleistet. Er war auch Leila dankbar, weil sie es für ihn herausgefunden hatte. Sie musste die Familie mithilfe ihrer VEVAK-Kontakte in Delhi aufgespürt haben.
»Da ist noch etwas, was Sie wissen sollten«, sagte Fielding. »Armstrong hat eine Menge aus dem Iraner herausgeholt, den wir erwischt haben. Persönliche Dinge, die wir in der
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