Der Marshal ist eine Lady
wieder trennen. Dafür würden ihre Vorgesetzten schon sorgen. Über den Punkt zerbrach Lassiter sich nicht den Kopf. Er würde ein freundschaftliches Verhältnis zu Eugenia bewahren, und sie konnten ihre Liebe jederzeit wieder aufflammen lassen, wenn sie sich begegneten. Aber dabei musste es bleiben. Eugenia würde einsehen, dass es die Dienstpartnerschaft, die sie sich vorstellte, nicht geben würde.
Vom nordwestlichen Ende der Main Street näherte sich Hufgetrappel. Eine größere Gruppe von Reitern hielt auf das Rathaus zu. Lassiter sah, dass es mindestens dreißig Männer waren. Und eine Frau.
Louisa McCafferty ritt an der Spitze ihrer Ranchmannschaft. Sie trug einen hellen, breitkrempigen Stetson und einen anthrazitfarbenen Reiteranzug, der ihr feminines Erscheinungsbild in keiner Weise beeinträchtigte. Sie saß ab und lief auf den Gehsteig vor dem Hotel zu. Die Schwestern begrüßten sich freudig und herzlich, und dann wandte sich Louisa allen anderen zu, nicht ohne Lassiter einen tiefen Blick zugeworfen zu haben.
»Meine Männer und ich sind gekommen, um mit Ihnen gemeinsam zu kämpfen«, erklärte die Rancherin zur allgemeinen Verwunderung. »Nachdem wir einen Verräter in unseren Reihen hatten, und nachdem wir es Lassiter verdanken, dass er entlarvt wurde, fühlen wir uns verpflichtet, unseren Beitrag zum Wohle Sheridans und des Countys zu leisten.«
Die Umstehenden klatschten Beifall. Auch Sheriff Farnum und die Deputys waren inzwischen herübergekommen. Marshal Gettinger trat drüben vor sein Office, und der Doc, mit seinem Koffer in der Hand, verabschiedete sich von ihm. Bill Gettinger trug einen leuchtend weißen Verband über der linken Schulter, und sein Arm lag in einer Schlinge.
»Wir sind hocherfreut über die Unterstützung«, sagte der Sheriff. »Aber trotzdem verstehe ich nicht ganz, worin die Notwendigkeit liegt.«
Louisa zeigte wortlos nach Süden und nach Westen, zu den flachen Hügelkämmen, die die Stadt umgaben. Die Anwesenden blickten in die angegebenen Richtungen und erschraken.
Pferde und Reiter standen dort oben in einer langgezogenen Kette wie Standbilder. Es war zu erkennen, dass sie ihre Gewehre bereits aus den Scabbards gezogen hatten.
Im nächsten Augenblick näherte sich eine Reitergruppe in forschem Galopp von den Hügeln. Fünf Reiter waren es, einer von ihnen hielt eine weiße Fahne.
Die Männer und Frauen von Sheridan hielten den Atem an, als sie sahen, dass es Carlton Harris war, der an der Spitze der Abordnung in die Main Street preschte. Die Banditen zügelten ihre Pferde, und als sich die Staubwolke um sie herum legte, schwang sich Harris aus dem Sattel und ging auf die Versammelten zu. Zehn Schritte vor ihnen blieb er stehen.
»Ich bin hier, um zu verhandeln«, sagte er. »Ich bin bereit, die Stadt kampflos zu übernehmen. Es muss kein Schuss fallen. Es liegt bei Ihnen, Ladys und Gentlemen. Meine Bedingungen sind kurz. Ich werde das neue Stadtoberhaupt sein und Steuern einziehen. Meine Männer werden den Sheriff und den Marshal ablösen und künftig für Ruhe und Ordnung sorgen.«
Still und fassungslos starrten ihn die Männer und Frauen an.
Plötzlich ertönten schmetternde Hornsignale – aus weiter Ferne noch, doch das täuschte, denn sie waren bereits hinter den Hügeln. Rasch kamen die Signale näher, und die Banditen wagten nicht, sich vom Fleck zu rühren. Innerhalb von Minuten wimmelte es um sie herum von den Blauröcken des Kavallerieregiments. Wie in purer Ironie auf Harris’ Worte fiel kein einziger Schuss. Die Banditen ergaben sich der Übermacht kampflos.
Carlton Harris war kreidebleich geworden.
Auch seinen Kumpanen stand der Schock ins Gesicht geschrieben.
Sheriff Farnum sprach als Erster in der Stille.
»Ihr Bandenmitglied Paul Raker will als Kronzeuge aussagen«, sagte er. »Erleichtern Sie Ihr Gewissen, Harris. Am Galgen stirbt es sich leichter, wenn man alle Last abgeladen hat.«
Harris starrte die Männer und Frauen von Sheridan an. Sein Blick blieb auf Lassiter haften.
»Du verfluchter Hund«, sagte Harris niedergeschlagen. »Wenn du nicht hier aufgetaucht wärst …«
Lassiter unterbrach ihn. »Du hast die Eltern von Louisa McCafferty und Amanda Plunkett umgebracht. Hör auf den Sheriff. Gib es zu.«
Harris’ Augen funkelten trotzig. »Ja, ich war’s«, sagte er. »Na und? Was ändert das jetzt noch?«
Herbert Plunkett musste seine Frau festhalten, und Eugenia Blake musste ihre ganze Kraft aufwenden, um sie daran zu
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