Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
Pita für frei.
    »Señor«, sagte Jose Pita. Er hatte noch immer seinen weinenden Sohn im Arm. »Wir sind für alle Zeit in Eurer Schuld.« »Ich habe nur die Wahrheit bezeugt«, sagte Jona.
    Dann flüchtete er, und während er aus der Stadt hinausritt, versuchte er die kalte Abneigung zu vergessen, die er in Ramiro de Rodas Augen gesehen hatte. Er wußte, die Familie Roda und ihre Freunde würden bis ins Grab glauben, daß der junge Guillermo von einem geworfenen Stein getötet worden war, aber Jona hatte die Wahrheit bezeugt und war froh, daß er es hinter sich hatte.
    Vom anderen Ende der Straße kam eine Gestalt auf ihn zu. Je näher sie einander kamen, um so deutlicher erkannte Jona den Mann.
    Ein Geistlicher in schwarzer Kutte.
    Ein Mönch. Groß.
    O Gott, dachte Jona, denn jetzt sah er den unverkennbaren Buckel, den der Mann trug.
    Sonst war niemand in der Nähe, nichts, was die Aufmerksamkeit hätte ablenken können, als Reiter und Fußgänger sich einander näherten. Sollte er an Fray Lorenzo de Bonestruca einfach vorbeireiten, als würde er ihn nicht kennen? Nein, entschied er, zu groß war die Gefahr, daß Bonestruca sich an ihn erinnerte. Denn Bonestruca wußte, daß jemand, der ihm einmal begegnet war, ihn wegen seines Aussehens so leicht nicht wieder vergessen würde.
    »Ich wünsche Euch einen guten Tag«, sagte Jona, als sie sich begegneten, und Bonestruca nickte knapp.
    Doch bevor Jonas Pferd ein halbes Dutzend Schritte gegangen war, hörte er die Stimme.
    »Señor!«
    Er wendete den grauen Araber und kehrte zu dem Mönch zurück.
    »Ich meine Euch zu kennen, Señor.«
    »Ja, Fray Bonestruca. Wir haben uns vor Jahren in Toledo kennengelernt.«
    Bonestruca hob die Hand. »Ja, in Toledo. Aber... Euer Name...«
    »Ramón Callicó. Ich war nach Toledo gekommen, um dem Grafen von Tembleque eine Rüstung zu liefern.«
    »Mein Gott, ja, der Lehrling des Waffenschmieds aus Gibraltar! Ich habe Graf Vascas schöne Rüstung bewundert, auf die er zu Recht stolz ist. Seid Ihr mit einem ähnlichen Auftrag hier in Saragossa?«
    »Nein, ich wohne hier. Mein Meister und Onkel, der Waffenschmied Manuel Fierro, starb, und ich kam nach Saragossa, um bei seinem Bruder Nuño, einem Arzt, in die Lehre zu gehen.«
    Bonestruca nickte interessiert. »Ich muß sagen, Ihr seid mit Onkeln wohl ausgestattet.«
    »Da stimme ich Euch zu. Leider hat Nuño auch das Zeitliche gesegnet, und jetzt bin ich der Medicus dieses Ortes.«
    »Der Medicus... Nun, dann werden wir uns gelegentlich sehen, denn ich habe mich hier niedergelassen.«
    »Ich bin mir sicher, daß Saragossa Euch gefallen wird, es ist eine Stadt guter Menschen.«
    »Wirklich? Wahrhaft gute Menschen sind ein unbezahlbarer Schatz. Aber ich mußte feststellen, daß sich unter dem Anschein der Rechtschaffenheit oft etwas Dunkleres und viel Unfreundlicheres als Güte verbirgt.«
    »Das ist sicher wahr.«
    »Es ist schön, einen Bekannten zu treffen, wenn man entwurzelt und an einen fremden Ort versetzt wird. Wir müssen uns wiedersehen, Señor Callicó.«
    »Ja, das müssen wir unbedingt.«
    »Einstweilen sei Christus mit Euch.«
    »Und mit Euch, Fray Bonestruca.«

6. Das Haus des Mönchs
    F ray Lorenzo de Bonestrucas Versetzung nach Saragossa war keine Belohnung oder Beförderung gewesen, sondern eher ein Tadel und eine Strafe. Urheber seiner Schwierigkeiten waren seine verstorbene Königin, Isabella von Spanien, und der Erzbischof Francisco Jimenez de Cisneros gewesen. Als Cisneros 1495 Erzbischof von Toledo geworden war, hatte er die Königin für einen Feldzug zur Reformation des spanischen Klerus gewinnen können, der dem Laster und der Verderbtheit anheimgefallen war. Viele Geistliche hatten sich eine üppige Lebensart angewöhnt, sie besaßen ausgedehnte Ländereien, Bedienstete, Geliebte und alle äußeren Zeichen des Reichtums.
    Cisneros und Isabella teilten die Gruppierungen der Kirche unter sich auf. Die Königin reiste zu den Nonnenklöstern, wo sie ihre Stellung und ihre ganze Überredungskunst in die Waagschale warf und den Ordensfrauen so lange mit Schmeicheleien und Drohungen zusetzte, bis sie bereit waren, zu dem einfachen Leben zurückzukehren, das ein Wesensmerkmal der frühen Kirche gewesen war. Der Erzbischof besuchte, in einfacher brauner Kutte und mit einem Maultier als einziger Begleitung, jedes Mönchskloster, katalogisierte seinen Reichtum und drängte die Brüder dazu, alles, was sie nicht unbedingt zum Leben brauchten, den Armen zu

Weitere Kostenlose Bücher