Der Medicus von Saragossa
alter Meister ihn gelehrt hatte.
Bonestruca erklärte Jona, die drei Kinder seien erschöpft und nicht ganz auf der Höhe, weil sie erst vor zwei Tagen mit ihrer Mutter aus Toledo eingetroffen seien. »Was Filomenas Pusteln angeht, weiß ich, daß die wieder vergehen. Ich erinnere mich noch gut, daß die anderen Kinder sie auch hatten.«
»Seid Ihr der Vater der Kinder, Fray Bonestruca?«
»Natürlich.«
»Als Ihr jünger wart... hattet Ihr da je die Lues, malum venereum?«
»Bekommen es nicht die meisten jungen Männer früher oder später mit der Lues zu tun? Ich war übersät mit Pusteln wie Schuppen. Aber nach einer Weile war ich wieder geheilt, und die Symptome sind nie zurückgekehrt.«
Jona nickte taktvoll. »Nun... Ihr habt die Lues an Eure... an Maria Juana weitergegeben.«
»Das stimmt.«
»Und sie hat bei der Geburt jedes Eurer Kinder damit angesteckt. Es war die Lues, die den Mädchen die Beine so verbogen hat.«
»Warum sind dann die Beine meines Sohns gerade?« »Die Krankheit wirkt sich nicht bei jedem gleich aus.« »Dann war es also die Lues, die ihnen die krummen Beine gegeben hat! Und ich dachte schon, es sei ein Erbe meines eigenen, ungestalten Körpers, obwohl keines der Kinder mit einem Buckel geboren wurde.«
Bonestruca schien fast glücklich darüber, daß diese Krankheit daran schuld war und nicht seine eigenen mißgebildeten Knochen.
»Die Pusteln vergehen schließlich wieder«, sagte der Mönch fröhlich.
Aber die krummen Beine und die auseinanderstehenden Zähne nicht, dachte Jona. Und wer weiß, welche anderen Tragödien die Lues in ihr Leben bringt.
Er untersuchte die Kinder und verschrieb eine Salbe für die Pusteln des Säuglings. »Ich werde sie mir in einer Woche noch einmal ansehen«, sagte er. Als Bonestruca ihn fragte, was er ihm schulde, nannte Jona sein übliches Honorar für einen Hausbesuch und bemühte sich dabei um einen sachlichen, geschäftsmäßigen Ton. Ihm stand nicht der Sinn nach einer Freundschaft mit Fray Bonestruca.
Am nächsten Tag brachte ein Mann namens Evaristo Montalvo seine betagte Frau, Blasa de Gualda, zum Arzt.
»Sie ist blind, Señor.«
»Gestattet mir, sie anzusehen«, sagte Jona und führte die Frau ins helle Licht vor dem Fenster.
Deutlich sah er die Trübung in beiden Augen. Sie war fortgeschrittener als die ähnliche Trübung, die er vor kurzem in den Augen von Doña Sancha Berga, Don Berenguer Bartolomes Mutter, festgestellt hatte. Diese hier war so ausgereift, daß die Linsen der Frau einen gelblichweißen Farbton angenommen hatten.
»Könnt Ihr mir helfen, Señor?«
»Ich kann nicht versprechen, Euch zu helfen, Señora. Aber ich kann es versuchen, wenn Ihr das wollt. Dazu wäre allerdings eine Operation erforderlich.«
»Ihr wollt mir in die Augen schneiden?«
»Ja, schneiden. Ihr habt in beiden Augen eine Krankheit, die man catarata nennt. Die Linsen sind getrübt, und das verhindert, daß Ihr seht, so wie eine Sonnenblende verhindert, daß Licht in ein Fenster fällt.«
»Ich will wieder sehen, Señor.«
»Ihr werdet nie wieder so sehen können, wie Ihr es in Eurer Jugend konntet«, sagte er sanft. »Auch wenn wir erfolgreich sind, werdet Ihr entfernte Gegenstände nicht erkennen können. Ihr werdet nur wieder sehen können, was dicht vor Euch ist.«
»So würde ich wenigstens wieder kochen können. Und vielleicht sogar nähen, mh?«
»Vielleicht... aber wenn es mißlingt, seid Ihr mit Sicherheit für immer blind.«
»Blind bin ich jetzt schon, Señor. Ich bitte Euch deshalb, diese... Operation zu versuchen.«
Jona bat sie, früh am nächsten Morgen wiederzukommen. An diesem Nachmittag richtete er den Operationstisch her und alle Instrumente, die er brauchen würde, und den ganzen Abend saß er beim Licht der Öllampe da und las mehrere Male, was Teodorico Borgognoni über das Starstechen geschrieben hatte.
»Ich brauche deine Hilfe«, sagte er zu Reyna. Indem er ihr die Lider anhob, zeigte er ihr, wie sie die Augen der Patientin offenhalten mußte, damit sie nicht blinzelte.
»Ich glaube aber nicht, daß ich zusehen kann, wie du ins Auge schneidest«, sagte sie.
»Du kannst den Blick abwenden, aber du mußt ihr die Augen unbedingt offenhalten. Kannst du das tun?«
Reyna nickte zweifelnd, erwiderte aber, daß sie es versuchen wolle.
Als Evaristo Montalvo am nächsten Morgen mit Blasa de Gualda ins Behandlungszimmer kam, schickte Jona den alten Mann zuerst auf einen langen Spaziergang, bevor er Blasa zwei Becher
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