Der Medicus von Saragossa
Wasser und schlückchenweise Honig.
»Habt Ihr noch andere Beschwerden, Señora?«
»Nur meine Augen. Meine Sehkraft wird immer schwächer«, sagte Doña Sancha.
Jona zog die Vorhänge auf, um das Sonnenlicht in ihre Kammer zu lassen, und brachte dann sein Gesicht sehr nahe an das ihre. Als er ihre Lider eines nach dem anderen hob, erkannte er eine schwache Trübung ihrer Linse.
»Es ist eine Krankheit, die man catarata nennt.«
»Blindheit im Alter liegt bei uns in der Familie. Meine Mutter war blind, als sie starb«, sagte Doña Sancha schicksalsergeben.
»Kann man gegen diese catarata denn nichts tun?« fragte ihr Sohn.
»Doch, es gibt eine Operation namens ›Starstechen‹, bei der die getrübte Linse entfernt wird. In vielen Fällen wird dadurch das Sehvermögen etwas verbessert.«
»Glaubt Ihr, daß dieses Starstechen bei mir möglich ist?« fragte Doña Sancha.
Er beugte sich noch einmal über sie und untersuchte ihre Linsen. Dreimal hatte er diese Operation bereits durchgeführt, einmal an einer Leiche und zweimal mit Nuño an seiner Seite, der ihn anleitete. Außerdem hatte er Nuño zweimal dabei zugesehen.
»Seht Ihr im Augenblick noch etwas?«
»Ja«, sagte sie. »Aber es wird immer schlimmer, und ich fürchte mich vor der Blindheit.«
»Ich glaube, daß die Operation bei Euch zu machen ist. Aber ich muß Euch warnen – Ihr dürft nicht zuviel erwarten. Solange Ihr noch Sehkraft habt, wie mangelhaft sie auch sein mag, sollten wir warten. Eine catarata ist leichter zu entfernen, wenn sie reif ist. Ich werde Euch regelmäßig untersuchen und Euch sagen, wann es soweit ist.«
Doña Sancha dankte ihm, und Don Berenguer lud ihn auf ein Glas Wein in seine Bibliothek ein. Jona zögerte. Normalerweise vermied er, soweit möglich, den gefährlichen privaten Kontakt mit Alten Christen, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, nach seiner Familie, nach möglichen kirchlichen Verbindungen oder gemeinsamen Freunden gefragt zu werden. Aber die Einladung war freundlich und wohlwollend, eine Ablehnung wäre schwierig gewesen, und so fand er sich kurz darauf vor dem Kamin in einem wunderschönen Zimmer mit einem Zeichentisch und vier großen Tischen voller Skizzen und Karten wieder.
Don Berenguer war aufgeregt und voller Hoffnung, daß seine Mutter bald wieder würde besser sehen können. »Könnt Ihr uns einen geeigneten Chirurgen empfehlen, der in der Lage ist, die Operation durchzuführen, wenn die catarata reif sind?« fragte er.
»Ich kann es tun«, sagte Jona vorsichtig. »Oder, wenn Euch das lieber ist, wäre meiner Ansicht nach auch Señor Miguel de Montenegro eine ausgezeichnete Wahl.«
»Dann seid Ihr also Chirurg und praktischer Arzt?« fragte Don Berenguer überrascht und goß Wein aus einer schweren Karaffe in zwei Gläser.
Jona lächelte. »Wie Señor Montenegro. Es stimmt, daß viele Heilkundler sich entweder für die Chirurgie oder die Medizin entscheiden. Aber einige Männer, darunter die besten in beiden Berufen, verbinden die Verfahren. Mein verstorbener Meister und Onkel, Señor Nuño Fierro, glaubte, daß Chirurgen allzuoft das Messer als das einzig wahre Heilmittel betrachten, während viele praktische Ärzte fälschlicherweise meinen, sich allein auf die Medizin verlassen zu können, wenn Chirurgie erforderlich ist.«
Don Berenguer nickte nachdenklich und gab Jona ein Glas. Der Wein war mild und sehr gut, von einer Qualität, wie Jona sie eigentlich nur bei adligen Familien erwarten würde. So entspannte er sich bald und genoß die Unterhaltung, denn sein Gastgeber stellte keine Fragen, die ihn in Verlegenheit hätten bringen können.
Don Berenguer verriet ihm, daß er Kartograph war, wie sein Vater und sein Großvater es vor ihm gewesen waren. »Mein Großvater, Blas Bartolomé, schuf die ersten wissenschaftlichen Karten der spanischen Küstengewässer«, sagte er. »Mein Vater war vorwiegend mit Flußkarten beschäftigt, während ich mich mit Ausflügen in unsere Gebirgsregionen begnüge, um Höhen, Pfade und Pässe kartographisch zu erfassen.«
Don Berenguer zeigte ihm Karte um Karte, und während die beiden Männer sie gemeinsam studierten, vergaß Jona seine Angst. Er gestand dem Kartographen, daß er in seiner Jugend eine kurze Zeitlang ein gewöhnlicher Seemann gewesen war, und zeigte ihm auf den Karten die Routen seiner Fluß- und Seereisen, denn sein Herz öffnete sich dank des guten Weins und der Gesellschaft dieses interessanten Mannes, der, wie sein Gefühl ihm sagte,
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