Der Medicus von Saragossa
stiften.
Bonestruca hatte sich im Netz der Reform verfangen. Bonestruca hatte nur vier Jahre lang als zölibatärer Mönch gelebt. Nachdem sein Körper einmal von der Süße der Vereinigung mit weiblichem Fleisch gekostet hatte, gab er sich häufig und bedenkenlos der geschlechtlichen Leidenschaft hin. Seit zehn Jahren hatte er eine Geliebte, eine Frau namens Maria Juana Salazar, mit der er drei Kinder gezeugt hatte. Sie war seine Frau in jeder Hinsicht bis auf den Namen, und er hatte gar nicht versucht, aus ihrer Rolle in seinem Leben ein großes Geheimnis zu machen; das war auch nicht nötig, denn er tat nur, was so viele andere taten. So aber kam es, daß eine ganze Reihe von Leuten über Fray Bonestruca und Maria Juana Salazar Bescheid wußten, als die große Tugendreform in Schwung kam. Zuerst erhielt der alte Priester, der seit Jahren sein Beichtvater war, den Auftrag, ihn zu warnen, daß die Tage des süßen Lebens vorüber und Reue und wahre Veränderung die Schlüssel zum Überleben seien. Als Bonestruca diese Warnung in den Wind schlug, wurde er zu einem Gespräch mit dem Erzbischof in die Diözesankanzlei bestellt.
Cisneros verschwendete keine Zeit mit Höflichkeiten. »Ihr müßt Euch dieses Weib vom Hals schaffen. Ihr müßt es sofort tun. Wenn Ihr es nicht tut, bekommt Ihr Ärger.«
Jetzt verlegte Bonestruca sich auf Heimlichtuerei und List. Er brachte Maria Juana und die Kinder in ein anderes Dorf auf halbem Wege zwischen Toledo und Tembleque und erzählte niemandem davon. Seine Besuche plante er sehr umsichtig, und manchmal hielt er sich über Wochen von ihnen fern.
Dennoch erhielt er eines Tages die Nachricht, daß er wieder in der Kanzlei zu erscheinen habe. Diesmal wurde er von einem Dominikaner empfangen, der ihm mitteilte, daß er wegen seines Ungehorsams ins Offizium der Inquisition von Saragossa versetzt worden sei. Er erhielt den Befehl, sofort nach Saragossa aufzubrechen.
»Und zwar allein«, hatte der Priester mit einem boshaften Grinsen hinzugefügt.
Bonestruca hatte gehorcht, doch am Ende dieser langen Reise hatte er begriffen, daß das, was andere als eine Strafe für ihn betrachtet hatten, ihm in Wahrheit jene Ungestörtheit bot, die er brauchte.
Etwa vier Wochen nach der Begegnung mit dem Inquisitor auf der Straße erhielt Jona Besuch von einem Novizen in brauner Kutte, der ihm sagte, daß Fray Bonestruca den Arzt sofort auf der plaza mayor zu sehen wünsche.
Jona folgte dem Ruf, und Fray Bonestruca erwartete ihn im Schatten des einzigen Baumes auf dem Platz.
Der Mönch nickte ihm zu und erhob sich von der Bank. »Ich werde Euch an einen Ort bringen. Ihr dürft keinem Menschen ein Wort über das, was Ihr sehen und tun werdet, verraten, denn sonst bekommt Ihr meinen Zorn zu spüren. Und ich verspreche Euch, mein Zorn kann furchtbar sein. Habt Ihr mich verstanden?«
Jona bemühte sich, gelassen zu bleiben. »Ich habe verstanden«, erwiderte er ruhig.
»Dann kommt mit mir.«
Er ging voraus, und Jona folgte ihm auf dem Pferd. Bonestruca drehte sich mehrmals um und schaute über Jona hinweg, um sich zu versichern, daß man ihnen nicht folgte. Bald kamen sie zum Fluß. Bonestruca zögerte nicht lange und hob seine schwarze Kutte, damit das flache, aber lebhaft strömende Wasser sie nicht benetzte. Am anderen Ufer führte er Jona zu einer kleinen, aber guterhaltenen finca, deren neue Fensterrahmen auf eine kürzliche Instandsetzung hindeuteten. Bonestruca öffnete die Tür und trat ohne Klopfen ein. Jona sah mehrere Taschen aus Tuch und Leder und eine noch ungeöffnete und nicht ausgepackte Kiste. Eine Frau hielt einen Säugling im Arm, neben ihr standen zwei Kinder, die sich an ihren Rock klammerten.
»Das ist Maria Juana«, sagte Bonestruca.
Jona nahm seinen Hut ab. »Señora.«
Sie war eine stämmige Frau mit brauner Haut und einem herzförmigen Gesicht mit großen dunklen Augen und sehr vollen, roten Lippen. Milchflecken zeigten sich auf dem Stoff über ihren üppigen Brüsten. »Das ist Callicó, ein Arzt«, sagte Bonestruca zu ihr. »Er wird nach Filomena sehen.«
Gegenstand seiner Sorge war der Säugling, der offensichtlich fieberte und von Pusteln um den Mund geplagt wurde. Das älteste Kind, Hortensia, war sieben, und es gab noch einen fünfjährigen Jungen namens Dionisio. Jona wurde das Herz schwer, als er die Kinder sah. Die Beine der beiden Mädchen waren mißgebildet, und alle drei hatten die unverkennbaren, weit auseinanderstehenden Zähne, auf die zu achten sein
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