Der Medicus von Saragossa
nach schlafenden Fernán Vasca sprach. Falls Vasca ihn hören konnte, langweilte das leiernde Plappern zweifellos auch ihn. Jona hatte vom Wetter gesprochen, von den Aussichten für die nächste Ernte, von einem Falken, den er hoch oben in den Lüften kreisen sah, ein dunkler Fleck vor den Wolken.
Schließlich versuchte er etwas anderes.
»Graf Vasca, es ist Zeit, daß wir über meine Bezahlung sprechen«, sagte er. »Der Gerechtigkeit halber sollte sie mit dem aufgerechnet werden, was wir einander in der Vergangenheit schuldeten: Vor zehn Jahren war ich auf dieser Burg, um Euch eine prächtige Rüstung zu liefern, und Ihr gabt mir zehn Maravedi für meine Mühen. Aber wir hatten noch andere Geschäfte, denn ich erzählte Euch von den Reliquien eines Heiligen, und Ihr nahmt dafür zwei Männern das Leben, die mir meins genommen hätten.«
Hinter den geschlossenen Lidern sah er eine Bewegung. »Ich habe zwei Männer in einer Eremitenhöhle in den Tod geschickt. Und Ihr habt Euch Rivalen vom Hals geschafft und Reliquien bekommen. Erinnert Ihr Euch?«
Die Augen öffneten sich langsam, und Jona sah etwas darin, das er davor noch nicht gesehen hatte.
Neugier.
»Die Welt ist merkwürdig, denn jetzt bin ich kein Rüstungsschmied mehr, sondern ein Arzt, der Euch helfen will. Aber ich brauche Eure Mitarbeit.«
Er hatte sich überlegt, wie er vorgehen würde, falls er den Grafen ins Bewußtsein zurückholen konnte.
»Es ist schwierig, wenn man nicht sprechen kann. Aber es gibt eine Möglichkeit, wie wir miteinander reden können. Ihr blinzelt einmal für ja und zweimal für nein. Haltet die Augen nach jedem Blinzeln kurz geschlossen, damit ich es als Antwort erkennen kann. Einmal für ja, zweimal für nein. Versteht Ihr das?«
Aber Vasca sah ihn nur an.
»Blinzelt einmal für ja und zweimal für nein. Begreift Ihr, Graf Vasca?«
Ein einzelnes Blinzeln. »Gut. Das ist sehr gut, Graf Vasca, Ihr macht das ausgezeichnet. Habt Ihr Gefühl in Euren Beinen oder Füßen?«
Zweimaliges Blinzeln.
»Im Kopf?»
Ein einzelnes Blinzeln.
»Habt Ihr Schmerzen oder Beschwerden im Bereich Eures Kopfes?«
Ja.
»In Mund oder Rachen?«
Nein.
»Der Nase?«
Nein.
»Augen?«
Vasca blinzelte einmal.
»Aha. Die Augen also. Ist es ein stechender Schmerz?«
Nein.
»Ein Jucken?«
Ein Blinzeln, dann blieben die Augen, wie zur Betonung, kurz geschlossen.
»Graf Vasca, erinnert Ihr Euch an Helkias Toledano, der Silberschmid in Toledo war?«
Vasca starrte ihn nur an.
»Ihr besitzt eine Reihe von Gegenständen, die er angefertigt hat. Zum Beispiel eine erstaunliche Rose aus Gold und Silber. Ich würde sehr gerne einige der Dinge sehen, die Toledano gemacht hat. Wißt Ihr, wo sie aufbewahrt werden?«
Vasca sah ihn weiter an. Der verunstaltete Mund schien sich nach oben zu ziehen; es war schwer zu sagen, aber Jona meinte Belustigung in den Augen des Grafen zu erkennen.
Antworten erhielt er keine mehr. Er sah nur noch unwillkürliches Zwinkern, unbewußte Lidbewegungen, die keine Antworten auf seine Fragen waren, und kurz darauf schloß Vasca die Augen.
»Verdammt. Graf Vasca? Hola!«
Die Augen blieben geschlossen.
»Die Arbeit der Hände meines Vaters, Euer beschissener Gnaden«, rief er wütend. »Drei große Schüsseln. Vier kleine Silberspiegel und zwei große. Eine goldene Blume mit silbernem Stiel. Acht kurze Kämme und ein langer Kamm. Und ein Dutzend Trinkkelche aus Silber und Elektrum. Wo ist das alles?«
Er zählte auf und fragte, bis er heiser war, dann gab er es auf. Es war, als wäre der Mann wieder zurückgesunken in eine unerreichbare Tiefe, aus der er nur kurz aufgetaucht war, und Jona wurde sich der Beschränkungen bewußt, die seine Unwissenheit ihm auferlegte. Er wußte nicht, wie er Vasca zurückholen sollte. Er wusch die geschlossenen Augen sanft mit warmem Wasser und schickte einen Reiter zur Apotheke nach einer Augensalbe. Es war ein aufregendes Zwischenspiel gewesen. Jetzt war er allein mit seiner Enttäuschung, doch der kurzzeitige Erfolg munterte ihn auch auf.
Er berichtete der Condesa von den geblinzelten Botschaften, und sie wurde blaß vor Aufregung. »Das will ich auch tun«, sagte sie, doch als sie dann am Bett saß, wurde sie enttäuscht.
Sie hielt Vascas Hand, die noch immer um das runde Aststück gebunden war. »Mein Herr und Gebieter«, sagte sie.
Und wieder, und wieder.
»Mein Herr und Gebieter... mein Herr...«
»Mein Gebieter.«
»Ach Gott, Fernán, mach die Augen auf und schau mich um
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