Der Medicus von Saragossa
irgendein Gefühl, wenn ich Euch berühre, Graf Vasca?«
»Habt Ihr Schmerzen, Graf Vasca?«
Gelegentlich kam ein Grunzen oder Stöhnen von der hingestreckten Gestalt, doch nie als Antwort auf eine Frage.
Hin und wieder kam Padre Guzmán herbei, um Jonas Bemühungen mit unverhülltem Hohn zu betrachten. Schließlich sagte er: »Er versteht nichts. Er fühlt nichts und versteht nichts.«
»Seid Ihr Euch sicher?«
Der Priester nickte. »Ihr habt Euch umsonst hierherbemüht. Er steht am Beginn der göttlichen Reise, die uns allen bevorsteht.«
Am Nachmittag kam eine Frau ins Krankenzimmer. Sie war etwa in Adrianas Alter und hatte gelbe Haare und eine sehr weiße Haut. Ihr Gesicht war hübsch und ein wenig katzenhaft, mit einem kleinen Mund, hohen Wangenknochen und großen Augen, die sie mandelförmig machte, indem sie die Winkel mit schwarzer Tusche verlängerte. Ihr Gewand war kostbar, aber fleckig, und sie roch nach Wein. Im ersten Augenblick glaubte er, sie hätte ein Erdbeermal auf ihrem langen Hals, kam dann aber darauf, daß es ein Fleck war, wie er von einem saugenden Mund gemacht wird.
»Der neue Arzt«, sagte sie und musterte ihn.
»Ja. Und Ihr seid die Condesa?«
»Nämliche. Werdet Ihr etwas für ihn tun können?« »Das kann ich noch nicht sagen, Condesa... Mir wurde berichtet, er ist schon mehr als ein Jahr krank?«
»Fast vierzehn Monate.«
»Verstehe. Wie lange seid Ihr schon seine Frau?«
»Seit vier Jahren im nächsten Frühling.«
»Wart Ihr bei ihm, als die Krankheit ihn befiel?«
»Hhmm.«
»Es wäre hilfreich, wenn Ihr mir in allen Einzelheiten berichten könntet, was an diesem Tag mit ihm geschehen ist.«
Sie zuckte die Achseln. »Er ritt schon früh zum Jagen aus.« »Was tat er, als er von der Jagd zurückkehrte?«
»Das war vor vierzehn Monaten, Señor. Aber... soweit ich mich erinnern kann... Nun, zum einen... er nahm mich mit in sein Bett.«
»Das war am späten Vormittag?«
»Mittags.« Sie lächelte den kranken Mann an. »Wenn es ums Bett ging, achtete er nie auf die Zeit. Ob es nun tagsüber war oder mitten in der Nacht.«
»Condesa, wenn Ihr mir die Frage verzeiht... War er tatkräftig bei der Paarung an diesem Tag?«
Sie sah ihn an. »Ich erinnere mich nicht. Aber er war tatkräftig bei allem, was er tat.«
Sie sagte, er habe fast den ganzen Tag über normal gewirkt. »Am späten Nachmittag sagte er mir, sein Kopf tue ihm weh, aber er fühlte sich gut genug, um sich zum Abendessen an den Tisch zu setzen. Als das Geflügel aufgetragen wurde, bemerkte ich, daß sein Mund sich nach unten bog... so wie er jetzt ist. Er schien keine Luft mehr zu bekommen. Und er schien auf seinem Stuhl zusammenzusacken. Seine Jagdhunde mußten getötet werden. Als man ihm helfen wollte, ließen sie niemanden in seine Nähe.«
»Hatte er seit diesem Tag noch so einen Anfall?«
»Noch zweimal. Nach dem ersten Anfall war er nicht so, wie Ihr ihn jetzt seht. Er konnte seine rechten Glieder bewegen, und er konnte sprechen. Obwohl seine Sprache schwerfällig und undeutlich war, konnte er mir Anweisungen für sein Begräbnis geben. Dann traf ihn zwei Wochen nach dem ersten ein zweiter Anfall, und seitdem ist er starr und stumm. Und dann kam vor einem Monat ein dritter Anfall.«
»Ich danke Euch, daß Ihr mir dies alles berichtet habt, Condesa.«
Sie nickte und wandte sich dann der Gestalt auf dem Bett zu. »Er konnte grob sein, wie starke Männer es oft sind. Ich habe ihn grausam handeln sehen. Aber mir war er immer ein freundlicher Herr und Gatte...« Dann wandte sie sich wieder Jona zu. »Wie nennt man Euch?«
»Callicó.«
Einen Augenblick lang sah sie ihm in die Augen, nickte dann und verließ ihn.
3. Die Condesa
J onas Kammer lag an einem Ende des Korridors, das Gemach der Condesa am anderen, und dazwischen befand sich eine weitere Schlafkammer. In der folgenden Nacht sah Jona den anderen Gast auf der Burg. Als Jona spätabends seine Kammer verließ, um seinen Nachttopf auszuleeren, sah er aus dem Gemach der Condesa einen Mann kommen, der etwas in den Armen trug. Zwei Pechfackeln brannten in den Haltern im Gang, und Jona sah ihn deutlich, ein breiter, nackter Mann mit einem fleischigen Gesicht, der seine Kleider in der Hand trug.
Jona hätte sich still verhalten, aber der Mann bemerkte ihn und starrte ihn an.
»Guten Abend«, sagte Jona.
Der andere sagte nichts, sondern ging in die Kammer neben Jonas.
Am nächsten Morgen verlegte Jona den Grafen mit Padre Sebbos Hilfe wieder in
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