Der Medicus von Saragossa
gezogen wurden. Kleinere Quader wurden von Handlangern getragen. Größere Steine wurden von den Tieren so weit wie möglich an die Baustellen herangeschafft, und dann wurden die Männer zu Lasttieren, in langen Schlangen zerrten sie an dicken Tauen, um die Quader zu bewegen, oder sie stellten sich nebeneinander und stemmten sich gegen den Feind, den Stein.
Jona bereitete es Freude, an einem Haus der Anbetung zu arbeiten, auch wenn es für die Gebete anderer bestimmt war. Er war nicht der einzige Nichtchrist, der bei der Wiederherstellung der Kathedrale mithalf; die meisten der Handwerksmeister zum Beispiel waren Mauren, die Stein und Holz mit unglaublichem Geschick bearbeiteten. Als Jonas Vater von Padre Sebastian Alvarez gebeten worden war, ein Ziborium für eine christliche Reliquie zu entwerfen und anzufertigen, hatte Helkias die Sache mit Rabbi Ortega besprochen, doch der hatte ihm geraten, den Auftrag anzunehmen. »Es bringt Glück, anderen beim Beten zu helfen«, hatte der Rabbi gesagt und Helkias darauf hingewiesen, daß die feinen und wunderschönen Ziselierungen an den Toledaner Synagogen allesamt von Mauren ausgeführt worden seien.
Die Arbeit an der Kathedrale war kräftezehrend. Wie die anderen plagte sich Jona mürrisch und ohne Lachen, redete nur, wenn die Arbeit es erforderte, und wahrte sein Anderssein, indem er seine Gedanken für sich behielt. Manchmal arbeitete er mit einem glatzköpfigen peón zusammen, der gebaut war wie ein Steinquader, vierschrötig und breit. Seinen Familiennamen erfuhr Jona nie, aber die Vorarbeiter nannten ihn Leon.
Eines Morgens, Jona war bereits seit sieben Wochen in Salamanca, war er zusammen mit Leon damit beschäftigt, Steine an die richtigen Stellen in der Mauer zu bugsieren. Als er zwischendurch den Kopf hob, sah er eine Prozession von Männern in schwarzen Kutten, die nach ihrem Morgengebet, das bereits vor dem Eintreffen der Arbeiter begonnen hatte, die Kathedrale verließen.
Leon starrte den großen, alten Mönch an der Spitze der Prozession an.
»Das ist Fray Tomas de Torquemada. Der Generalinquisitor«, flüsterte er. »Ich bin aus Santa Cruz, wo er Prior des Klosters ist.«
Jona musterte den großen, betagten Mönch mit der langen, geraden Nase, dem spitzen Kinn und dem mürrischen grüblerischen Blick. Gedankenverloren eilte Torquemada an ihnen vorbei. Etwa zwei Dutzend Männer gingen in dieser weit auseinandergezogenen Kolonne, und in ihrer Mitte entdeckte Jona einen weiteren großen Mann mit einem Buckel auf dem Rücken, den er überall wiedererkennen würde. Bonestruca, der ins Gespräch mit seinem Begleiter vertieft war, ging so nahe an Jona vorbei, daß der Junge seine buschigen Brauen und ein Bläschen auf seiner Oberlippe erkennen konnte.
Einmal hob der bucklige Mönch den Kopf und sah Jona direkt ins Gesicht, doch die grauen Augen zeigten weder Interesse noch Wiedererkennen, und während Jona noch starr vor Furcht dastand, ging Bonestruca weiter.
»Was bringt Fray Torquemada nach Salamanca?« fragte Jona, doch Leon zuckte nur die Achseln.
Später jedoch hörte Jona den Aufseher einem anderen Arbeiter erzählen, daß Inquisitoren aus allen Teilen Spaniens zu einer Versammlung in der Kathedrale zusammengekommen seien, und er fragte sich, ob das der Grund sei, warum Gott ihn gerettet und hierhergeführt hatte: damit er Gelegenheit hatte, den Mann zu töten, der seinen Vater und seinen Bruder auf dem Gewissen hatte.
Am nächsten Morgen beobachtete er wieder, wie die Inquisitoren nach dem Morgengebet die Kathedrale verließen. Er erkannte, daß sich die beste Stelle für einen Angriff auf Bonestruca links des großen Portals befand, ganz in der Nähe seines Arbeitsplatzes. Er würde nur einmal zuschlagen können, bevor man ihn überwältigte, und er rechnete sich aus, daß er, um Bonestruca zu töten, seine scharfe Hacke wie eine Axt benutzen und ihm damit die Kehle durchhacken mußte.
In dieser Nacht lag er schlaflos und aufgeregt auf seinem Strohlager im Stall. Schon als Junge hatte er manchmal davon geträumt, ein Krieger zu sein, und in den letzten Jahren war ihm oft in den Sinn gekommen, daß er es genießen würde, die Morde an seinem Vater und seinem Bruder zu rächen. Jetzt aber, da es plötzlich möglich erschien, bekam er es mit der Angst, da er nicht wußte, ob er wirklich töten konnte. Er bat den Herrn, ihm im Augenblick der Tat Kraft zu geben.
Am Morgen ging er wie gewohnt zur Kathedrale.
Als nach dem Morgengebet ein Mönch aus
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