1160 - Das Gespenst von Dartmoor
»Ach ja?« Frogg fragte kaum aus Neugierde heraus. Seine Stimme hatte auch teilnahmslos geklungen. Er war damit beschäftigt, Gläser zu reinigen, und davon würde er sich auch nicht abhalten lassen. Die Gäste erzählten ihm viel. Das Meiste davon brabbelten sie ungefragt hervor, und Frogg musste sich immer interessiert geben. Seit über 20 Jahren stand er hinter dem Tresen und bediente sein gemischtes Publikum, das sich aus allen möglichen Schichten zusammensetzte. In der letzten Zeit hatten es sogar die Anzug- und Krawattenträger schick gefunden, sein Lokal zu besuchen. Da sie in der Regel gut bei Kasse waren, lief das Geschäft. Die After-Business-Drinks dauerten immer nur zwei, drei Stunden. In dieser Zeit war, der Umsatz doppelt gut.
Später kamen dann die »normalen« Gäste, die eigentlich immer gekommen waren. Das waren die Leute aus der Umgebung, die einfach Durst hatten und in Froggs Kneipe eine zweite Heimat sahen.
»Genau, Frogg, das ist das Problem.« Jordan hatte etwas lauter gesprochen. Der Kneipier schaute jetzt zu ihm rüber.
»Wieso?«
»Dartmoor.«
Der Wirt kicherte. »Es liegt doch hinter dir. Kein Problem, du hast alles überstanden.«
»Ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Es holt mich wieder ein«, flüsterte Jordan. »Dartmoor ist vorbei, aber nicht vergessen.« Er stöhnte nach dieser Antwort, und Frogg war auch der Klang der Angst in seiner Stimme nicht entgangen.
Jordan musste wirklich Probleme haben.
Er stellte das letzte Glas weg und baute sich seinem Gast direkt gegenüber auf.
Jordan nickte. »Ja, es ist wahr.«
Frogg sagte zunächst nichts. Ein dichtes Schweigen breitete sich in dem Raum aus, in dem sich nur ein einziger Gast befand. Als Wirt mit langer Erfahrung wurde man im Laufe der Zeit auch zu einem Hobby-Psychologen, und Frogg war derjenige, der seine Erfahrungen hatte sammeln können.
Er kannte auch Jordan, und so wie in dieser Nacht hatte er ihn noch nie erlebt. Dieser Mann schien sich wirklich Sorgen um sein Leben zu machen.
»He, Alter, was ist denn?« Eine Hand schüttelte Jordans Schulter. »Was hast du? Welche Probleme gibt es? Kann ich dir helfen? So.. ich was für dich tun?«
Jordan schob sein leeres Glas zur Seite. Er war erst 35, sah aber älter aus. Eine ungesunde Gesichtsfarbe, die schon welke Haut, das bereits grau gewordene Haar. »Das ist to.. Frogg, aber du kannst für mich nichts tun. Es wird alles seinen Weg gehen, glaube mir.«
Frogg schnappte sich zwei Gläser. Jordan trank gern Gin. Frogg füllte zwei Gläser fast bis zum Rand. »Der geht auf Kosten des Hauses. Also denn!«
»Der letzte Drink vor dem Tod!«
Frogg spürte die Gänsehaut nach diesen Worten. Ihm wurde kalt. So hatte er seinen Gast noch nie reden hören, und wenn er in dessen Augen schaute, dann wusste er, dass Jordan sich nichts vormachte. Er log nicht.
Die Gläser waren leer. Der Wirt nahm es auf die leichte Schulter. Zumindest tat er so. »Jeder hat mal seinen schlechten Tag, Jordan. Das geht mir auch so. Was meinst du, wie oft ich mich zusammenreißen muss, um die Leute an gewissen Tagen, nicht einfach aus dem Lokal zu schmeißen. Ich bin dann ebenfalls sauer. Klar, ich kann gut reden. Ich habe auch nicht drei Jahre in Dartmoor verbracht. Aber das ist doch vorbei.«
Jordan schüttelte den Kopf.
»Nicht vorbei?«
»Ja und nein. Es kommt etwas hinterher«, erklärte er und senkte seine Stimme zu einem Flüstern.
»Was denn? Hast du wieder ein Ding gedreht?«
»Quatsch. Aber Dartmoor verfolgt mich. Es ist mir auf der Spur. Der Geist von Dartmoor. Der Fluch, das Gespenst.« Jordan hob den Blick und schaute in die großen Augen des Wirts. Wenn er so schaute, erinnerte er wirklich an einen Frosch. »Ich kann es dir nicht genau erklären. Das muss man erleben oder besser nicht. Aber Dartmoor ist bei mir nicht abgehakt.«
»Was hat das denn mit deinem Tod zu tun?«
»Kann ich dir sagen. Wenn ich sterbe, dann liegt das Motiv in Dartmoor.«
»Kann ich nicht begreifen.«
»Verständlich. Du bist auch nicht dort gewesen. Es kann die Hölle sein. Es ist auch oft die Hölle.«
»Die du hinter dir hast.«
»Nicht ganz.« Jordan lachte. »Leider nicht ganz. Der Hammer kommt immer zum Schluss. Da gebe ich dir Brief und Siegel. Diese Nacht ist meine letzte. Ich habe einen Teil davon bei dir verbracht. Wo so.. ich sonst hin? In meiner Bude wäre ich verrückt geworden. Wenn ich weg bin, wird der Vermieter für den Verschlag wohl keinen finden, der ihm noch Geld zahlt.«
»Alles
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