Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
dem Portal trat, nahm Jona seine Hacke und ging zu der Stelle links des Eingangs. Fast sofort fingen seine Hände an zu zittern.
    Fünf Mönche folgten dem ersten, und dann kam niemand mehr.
    Der Aufseher starrte ihn böse an, als er sah, daß Jona blaß und untätig herumstand. »Bist du krank?«
    »Nein, Señor.«
    »Solltest du nicht beim Mörtelmischen helfen?« fragte er, als er die Hacke bemerkte.
    »Ja, Señor.«
    »Na, dann mach dich an die Arbeit«, knurrte der Mann, und Jona tat wie ihm geheißen.
    An diesem Nachmittag hörte er, daß die Versammlung der Wächter des Glaubens bereits am Tag zuvor zu Ende gegangen war, und er wußte, daß er dumm und töricht war, ungeeignet als rächender Arm Gottes. Er hatte zu lange gewartet, und nun war Bonestruca weg, um wie die anderen Inquisitoren Spaniens in seiner Provinz sein schreckliches Werk zu tun.
    Die Arbeit in Salamanca dauerte bis zum Frühling. Mitte März riß in Leons Rücken ein Muskel, als sie gerade einen Steinquader bewegten, und der peón wälzte sich vor Schmerzen auf dem Boden. Er wurde auf einen Karren gehoben und fortgeschafft, und Jona sah ihn nie wieder. Wenn zwei Arbeiter nötig waren, wurde er mit anderen zusammengespannt, aber mit keinem hatte er etwas gemein. Aus Angst wandte er sich von den anderen ab, und niemand wurde sein Freund.
    Es waren noch nicht alle Reparaturen an der mehr als dreihundertfünfzig Jahre alten Kathedrale ausgeführt, als die Arbeiten unter hitzigen Disputen über die Zukunft des Gebäudes eingestellt wurden. Viele der Stadtbewohner behaupteten, ihr Gotteshaus sei nicht groß genug. Obwohl die Kapelle des San Martin Fresken aus dem dreizehnten Jahrhundert enthielt, zeigte die Kathedrale insgesamt nur wenig Schmuck und hielt dem Vergleich mit den berühmten Gotteshäusern anderer Städte nicht stand. Schon gab es Leute, die Geld sammelten für den Bau einer neuen Kathedrale, und die Arbeiten an dem alten Gebäude wurden ausgesetzt.
    So verlor Jona seine Arbeit und zog wieder Richtung Süden. Den siebten Tag des Mai, seinen achtzehnten Geburtstag, erlebte er in der Grenzstadt Coria. Er kehrte in einem Gasthof ein und genehmigte sich einen Eintopf aus Ziegenfleisch und Linsen, doch als er mitbekam, was die drei Männer am Nebentisch besprachen, sollte ihm die Lust am Feiern gründlich vergehen.
    Sie redeten von den Juden, die aus Spanien nach Portugal geflohen waren.
    »Um sechs Monate in Portugal bleiben zu dürfen«, sagte einer der Männer, »zahlten sie König Johann ein Viertel ihres weltlichen Besitzes und einen Dukaten für jede Person, die die Grenze überschritt. Insgesamt einhundertzwanzigtausend Dukaten. Die sechs Monate ihres Bleiberechts waren im Februar zu Ende, und wißt ihr, was dieser dahergelaufene König dann getan hat? Er hat die Juden zu Sklaven des Staates erklärt.«
    »Ach... Möge Gott König Johann verfluchen.«
    Aufgrund ihres Tonfalls nahm Jona an, daß es sich um Konvertiten handelte. Die meisten Christen wären nicht so entrüstet über die Versklavung von Juden gewesen.
    Er gab keinen Ton von sich, doch einer der drei schaute zu ihm herüber, und als er ihn so stumm und steif dasitzen sah, wußte er, daß Jona gelauscht hatte. Der Mann flüsterte seinen Begleitern etwas zu, und die drei standen auf und verließen das Wirtshaus.
    Wieder einmal erkannte Jona, wie weise Abbas und Onkel Aarons Entscheidung gewesen war, nicht Portugal als Zuflucht zu wählen, sondern sich nach Osten, in Richtung Küste, zu wenden. Der Appetit war ihm vergangen, und so saß er da und sah zu, wie das Fett in seinem kalt gewordenen Eintopf gerann.
    An diesem Nachmittag hörte er auf einmal das Blöken vieler Schafe und ritt direkt darauf zu. Bald kam er zu einer Herde, deren Tiere sich offenbar immer weiter verstreuten, und kurz darauf sah er auch den Grund dafür. Der alte Schäfer, ein hagerer, weißhaariger Mann, lag hilflos auf der Erde.
    »Ein Schlagfluß«, stammelte der Mann.
    Sein Gesicht im Gras war weiß wie seine Haare, und sein Atem kam in leise gurgelnden Stößen. Jona drehte ihn auf den Rücken, brachte ihm Wasser und versuchte, es ihm so bequem wie möglich zu machen, doch der alte Mann gab ihm zu verstehen, daß sein größter Kummer der drohende Verlust der Herde sei.
    »Ich kann Eure Schafe wieder einfangen«, entgegnete Jona, bestieg Mose und ritt davon. Es war keine schwierige Aufgabe. Früher hatte er oft mit Aaron Toledanos Herde gearbeitet. Onkel Aaron hatte weniger Tiere gehabt, und so

Weitere Kostenlose Bücher