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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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die Mikwe besucht hatte.
    Tatsächlich wünschte er sich in jener Zeit oft, er könnte wie die Frauen einfach untertauchen und seine Seele reinwaschen, denn er war besessen von den Freuden des Fleisches. Es war schwierig, eine Frau zu finden, der er trauen konnte. In einer Schenke gab es eine Dirne, bei der er Wein kaufte, und zweimal gab er ihr eine Münze, damit sie in ihrer dunklen, stinkenden Kammer für ihn die Beine spreizte. Und manchmal, wenn die Tiere grasten, ohne ihn zu beachten, gab er sich der Lüsternheit hin und beging die Sünde, für die der Herr Onan das Leben genommen hatte.
    Manchmal stellte er sich vor, wie anders sein Leben sein könnte, wenn nicht das Unglück über seine Familie hereingebrochen wäre und ihn aus dem Haus seines Vaters vertrieben hätte. Inzwischen wäre er wohl ein Silberschmiedgeselle, verheiratet mit einer Frau aus guter Familie, vielleicht selbst schon Vater.
    Statt dessen hatte er, obwohl er sich nach Kräften bemühte, ein Mensch zu bleiben, manchmal das Gefühl, zu etwas Niedrigem und Tierischem zu werden, nicht nur der letzte Jude in Spanien, sondern das letzte menschliche Wesen auf der Welt – ein Gedanke, der ihn ein paarmal dazu verführte, törichte Risiken einzugehen. Wenn er nachts vor dem Feuer saß, umringt von den Tieren seiner Herde, verscheuchte er die Wölfe, indem er Fetzen erinnerter Wendungen herausschrie, alte Gebete, die zusammen mit den Funken des berstenden Holzes in den schwarzen Himmel stiegen. Jeder Inquisitior oder Denunziant, der sich vom Schein seines Feuers anlocken ließ, hätte seine verwegene Stimme gehört, mit der er Worte in Hebräisch oder Ladino in die Nacht brüllte. Aber es kam nie jemand.
    In seinen Bittgebeten versuchte er vernünftig zu sein. Nie bat er Gott, er möge den Erzengel Michael schicken, den Wächter Israels, damit er herniederfahre aus dem Paradies und die erschlage, die mordeten und Böses taten. Aber er bat Gott, ihm, Jona ben Helkias Toledano, zu erlauben, dem Erzengel zu dienen. Er sagte sich und Gott und den Tieren auf den stillen Hügeln, daß er gerne noch einmal die Gelegenheit hätte, zum starken rechten Arm des Erzengels zu werden, zum Zerstörer der Zerstörer, zum Mörder der Mörder, zum Vernichter derjenigen, die vernichteten.
    Als Jona zum dritten Mal die Herde im Herbst auf den Hof zurücktrieb, fand er die Familie von Fernando Ruiz in Trauer. Der Aufseher, noch kein alter Mann, war eines Nachmittags auf dem Weg zur Besichtigung eines abgeernteten Felds plötzlich tot umgefallen. Der ganze Hof war in Aufruhr. Don Emilio de Valladolid hatte keine Ahnung, wie er das Gut selbst führen sollte, und war noch nicht einmal in der Lage gewesen, einen neuen Aufseher zu bestimmen. Er war schlechter Laune und schrie viel.
    Jona betrachtete den Tod von Fernando Ruiz als Zeichen dafür, daß es für ihn Zeit war weiterzuwandern. Ein letztes Mal trank er auf der Schafsweide Wein mit Adolfo. »Es tut mir sehr leid«, sagte er. Er wußte, was es hieß, einen Vater zu verlieren, und Fernando war ein sehr guter Mensch gewesen.
    Dann sagte er Adolfo, daß er weggehe. »Wirst du dich um die Schafe kümmern?«
    »Ja. Ich werde der neue Schäfer«, sagte Adolfo.
    »Soll ich mit Don Emilio reden?«
    »Ich sage es ihm selber. Ihm ist es egal, solange ich nur die Schafe von seiner empfindlichen Nase fernhalte.«
    Jona umarmte Adolfo und übergab ihm, zusammen mit der Herde, den hübschen Hirtenstab, den er sich geschnitzt hatte. Dann bestieg er Mose und lenkte den Esel vom Gutshof und von Plasencia weg.
    In dieser Nacht wachte er in der Dunkelheit auf und lauschte, weil er glaubte, etwas gehört zu haben. Dann erkannte er, daß es das Fehlen jedes Geräuschs war, das ihn beunruhigt hatte, daß er das leise Blöken der Schafe vermißte, und er drehte sich um und schlief wieder ein.

2. Der Hofnarr
    D er Winter stand vor der Tür, und Jona ritt auf Mose in wärmere Gefilde. Er wollte das Meer im Süden der Sierra Nevada sehen, aber als er sich Granada näherte, waren die klaren Nächte bereits kalt. Da er keine Lust verspürte, sich im Winter über die schneebedeckten Gipfel des Hochgebirges zu wagen, ritt er in die Stadt hinein, um ein wenig seines Ersparten für sein und des Esels leibliches Wohl auszugeben.
    Besorgnis erfüllte ihn, als er die Mauern Granadas erreichte, denn hoch über dem abweisenden Tor hingen die verfaulten Köpfe hingerichteter Verbrecher. Doch selbst diese grausige Zurschaustellung schreckte Wegelagerer

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