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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosendorfer Herbert
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Monsignore Rohrdörfer und ich. Wenig später ereilte ihn der dritte Herzinfarkt.
    *
    »Und was«, fragte ich, »war mit seiner ominösen indirekten Doktorarbeit, von der du gesprochen hast?«
    Wir saßen inzwischen vor dem Beccafico am Campo Santo Stefano. Carlone hatte, obwohl in der Madonna an sich mit Nachtisch – dolce  – Dessert (in dieser Reihenfolge) versorgt, der sizilianischen Spezialität, der Fastucata, nicht widerstehen können.
    »Ganz einfach«, sagte Carlone, »er schrieb die Doktorarbeit der Emma Raimer. Sie selber wäre dazu nie im Leben imstande gewesen.«
    »Wie, was? Nachdem sie mit dem Pferdehändler …«
    »Pferdezüchter.«
    »Ja, gut, Pferdezüchter durchgebrannt ist, hat er ihr …«
    »Nein, nein, schon vorher.«
    »Aber hat das niemand gemerkt?«
    Carlone erzählte:
    Es begann damals die wissenschaftliche (oder soll man sagen: pseudowissenschaftliche?) Mode der Genderproblematik oder -forschung oder wie auch immer. Gender – ich habe es mir erklären lassen, versucht, es mir erklären zu lassen. Ich vermute, daß man dieses Gender auf die Formel zurückführen kann: Die Frauen sind eigentlich eher männlich und die Männer eher weiblich. Wenn ich mich nicht täusche, hat das Ganze schon einen leichten Anflug von Sterndeuterei, ich meine, die Bretter, die die Genderisten bohren, sind ungefähr so dünn wie die der Astrologen. Das Thema eignet sich aber selbstverständlich für wissenschaftliche Diskussionen – sofern man nicht schärfer nachdenkt. Der Göttliche Giselher hat sich, als die Mode aufkam, voll auf den Genderismus geworfen. Da kein Mensch ganz genau weiß, was Gender ist, kann man niemandem nachweisen, daß er nicht recht hat, wenn er darüber redet. Ganze Abende lang hat der Göttliche Giselher Gender-Theorien ausgebreitet, so großartig wie seine Beschreibung der Kathedrale von Santiago de Compostela, die er auch nie gesehen hat.
    Ich weiß nicht, ob man entsprechend dem Begriff »Doktorvater« den Begriff »Doktormutter« verwenden kann, oder ob man, im Gendersinn korrekt »Doktorvaterin« sagen muß, jedenfalls war die Doktormutter/-vaterin von Emma Raimer eine Frühgenderistin, eine Pionierin. Wo? Ich glaube in Greifswald. Oder Rostock? Welches Fach? Selbstverständlich Soziologie. Später haben sich die Genderisten ja stark vermehrt, kamen eine Zeitlang sogar auf freier Wildbahn vor. Heute ist die Genderistie wieder etwas abgeschwollen, kommt mir vor.
    Nun gut, Emma Raimers Doktorvaterin stülpte ihr das Thema über »Die Amazone als sozialkonforme Determination … unter besonderer Berücksichtigung …«. Der Meister machte sich an die Arbeit. Seine eigene Dissertation wurde aufgrund der Anforderung der Perfektion, die er sich selber stellte, nie fertig, Emma Raimers Dissertation hingegen fertigte der Meister mit der zur Perfektion getriebenen Scharlatanerie. Auf 214 Seiten breitete er genderischen Schwachsinn von so eindrucksvollen Behauptungen aus, von so hochprozentigen Scheinbeweisen, von so imposantem Zitatengehämmer, daß niemand – hätte er denn die Arbeit gelesen – an der hohen Wissenschaftlichkeit gezweifelt hätte. Absolut unverständlich. Aber unzweideutig genderisch . Daß mindestens die Hälfte der Zitate und ebenso der Literaturliste vom Meister erfunden wurde, versteht sich von selbst. Wer prüft das schon nach?
    Emma lernte die Arbeit auswendig, das heißt: einige Kernsätze und dergleichen, denn es kam ja noch das Rigorosum. Da mußte sie die Beisitzer überzeugen, aber die schlafen erfahrungsgemäß meistens, und die Doktorvaterin war keine Gefahr, denn …
    »Denn was?« fragte ich.
    Niemand, erzählte Carlone weiter, hat je herausbekommen, wie das Photo an das Mitteilungsbrett des Instituts gekommen war, angeheftet zwischen Mitteilungen über Verlegungen von Lehrveranstaltungen, Zimmergesuchen, Verlustanzeigen und Veranstaltungshinweisen: ein Photo der – ohne Zweifel – attraktiven Emma Raimer nackt auf einem Sofa mit der – ohne Zweifel – weit weniger attraktiven, aber ebenfalls nackten, Doktorvaterin in enger Umarmung. Wer hat das Photo gemacht? Selbstauslöser?
    Wie dem auch sei, Emma Raimer verließ als Frau Dr. den Raum, verkürzt ausgedrückt. Es mußten nur noch die üblichen Formalitäten erfüllt und die Dissertation gedruckt werden.
    »Ach ja«, sagte der milde Carlone, »was schadet das schon. Sie freut sich und fühlt ihren Selbstwert gehoben; und ein Buch, das niemand lesen wird, ist kein Unglück.«
    *
    Die

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