Der Meister des Drakung-Fu
Yak-Drachen ein neues Dorf für Mischwesen aller Art gründen?«, überlegte Helene laut.
»Also ehrlich gesagt, für mich klingt der Yak-Drache nicht so, als würde ich mit dem gerne in einem Dorf wohnen«, sagte Ludo.
»Nein!« Nara-Venja raufte sich die hellblonden Haare. »Kerul muss den Yak-Drachen besiegen. Er muss in die Höhle gehen und als einziger Vampgole aller Zeiten lebend wieder herauskommen. Dann ist vollkommen egal, ob er Vampgole, Halbvampgole oder ein Gobibär ist. Alle in Ulan-Vampor würden ihn respektieren. So, wie er ist. Versteht ihr?«
Kerul nickte. Er verstand. Nara-Venja hatte recht. Würde er den Yak-Drachen besiegen, wäre er der größte Held aller Zeiten. Nicht nur in Ulan-Vampor. In der ganzen Mongolei. Deine Mutter würde vor Stolz in die Luft gehen. Er könnte mit Bajar Freundschaft schließen, auch wenn er seinen Yak nicht aussaugte. Er könnte Dschingbiss Zhan erhobenen Hauptes gegenübertreten.
Aber Vampgolen, die viel weiser und stärker waren als er, hatten den Yak-Drachen herausgefordert und waren gescheitert. Die Höhle war vermutlich voller Aschehaufen von Aberhunderten furchtlosen Vampgolen. Kerul war zwar ein mutiger Krieger, aber kein lebensmüder.
»Ich weiß jetzt, dass ich als Halbvampgole ein paar Sonnenstrahlen vertragen kann«, begann Kerul zögernd. »Aber bestimmt nicht die geballte Ladung von drei Sonnen direkt vor mir.« Er sah fragend zu Daka und Silvania.
Sie schüttelten beide entschieden die Köpfe.
»Und selbst wenn beim Yak-Drachen gerade dreifache Sonnenfinsternis herrscht oder ich sonst irgendwie mit dem Licht fertig werde«, fuhr Kerul fort, »wie soll ich dieses Ungeheuer überwältigen? Das ist doch bestimmt fünf Köpfe größer als ich.«
»Zehn Köpfe«, sagte Nara-Venja.
»Soll das heißen, du machst es nicht?«, fragte Helene.
Kerul zuckte mit den Schultern.
Einen Moment wurde es still in dem Baum. Keiner wusste, wozu er Kerul raten sollte. Sie stellten es sich alle fantastisch vor, würde er in die Höhle gehen und den Yak-Drachen besiegen. Dass er den Yak-Drachen nicht besiegen und zu einem Häufchen Asche zerfallen würde, wollte sich allerdings keiner vorstellen. Ihnen war klar, dass Mut und Dummheit oft nah beieinanderlagen. Was sollte Kerul tun?
Daka hielt sich die Hände an den Kopf, nahm links und recht jeweils einen ihrer schwarzen Haarstachel zwischen Daumen und Zeigefinger und zog daran. Das vergrößerte die Ideenbreite. »Onkel Vlad sagt immer: ›Wer nicht zubeißt, kann auch nicht saugen‹«
Kerul sah sie fragend an. »Du meinst, ich soll es versuchen?«
»Ich nicht. Onkel Vlad.« Daka hob abwehrend die Hände.
»Würde es dir helfen, wenn wir ...«, Silvania seufzte, »mitkommen?«
»Das ist eine der besten Ideen, die du seit deiner Geburt gehabt hast!«, rief Daka ihrer Schwester zu. Wieso fiel ihr so etwas nicht öfters ein?
»Ihr wollt mitkommen? In die Mongolei? In die Höhle des Yak-Drachen?«, fragte Kerul zur Sicherheit noch einmal nach.
Daka nickte entschlossen.
Silvania grinste hilflos, als hätte sie Knoblauchzehen in den Backen.
»Das ist über sechstausend Flugkilometer entfernt. Und womöglich enden wir alle drei als Aschehäufchen«, sagte Kerul.
»Sechstausend Flugkilometer ...«, flüsterte Silvania. Ihre Lippen bebten und ihre Wimpern zuckten, als hätte sie jetzt bereits den Flugwind im Gesicht.
Daka nickte abermals. Allerdings nicht mehr ganz so entschlossen. Sie verbannte die drei Aschehäufchen aus ihrem Kopf und sagte mit fester Stimme: »Wir kommen mit. Schließlich geht es um die Ehre der Halbvampire. Und wenn es schon nicht so viele von uns gibt, müssen wir wenigstens zusammenhalten.«
Auf einmal hellte sich Silvanias Gesicht auf. »Ich habe auch schon eine Idee, wie wir dem Yak-Drachen und seinen drei Sonnen entgegentreten werden.«
Weit von zu Hause entfernt
D er Abendhimmel breitete sich wie ein dunkelblaues Seidentuch mit glitzernden Goldpunkten über eine einzigartige Landschaft aus. Daka war von dem Anblick so gefesselt, dass sie fast so langsam flog wie ihre Schwester. Silvania hatte die Fliegerbrille auf die Stirn geschoben und sah gebannt nach unten.
»Das ist die mongolische Steppe«, rief ihnen Kerul zu und zeigte auf eine unendliche, flache Weite.
»Und das dort, was an lauter ausgebreitete Kamelfelle erinnert, gehört zur Wüste Gobi«, erklärte Nara-Venja, die neben Kerul vor den Schwestern flog.
»Und was ist das dort hinten?«, fragte Daka. Am Abendhimmel hoben
Weitere Kostenlose Bücher