Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
mich um und gehe auf dem Beckenrand zurück zur Tür, während Max von seinem Vater mit einem Stoß samt Kleidern ins aufplatschende Wasser befördert wird. Sein Abendvergnügen ist damit sichergestellt – und auch seine Verschwiegenheit. Hinter mir dröhnt die Stimme meines Onkels: »Der Herr auf Büchsenhausen bin ich! Ich! Und nur ich!!«
Das unregelmäßige schmucklose Gassennetz von Hötting liegt hinter mir. Erleichtert nehme ich die Steigung zum Ansitz hinauf, dessen schwache Umrisse den Eindruck erwecken, als wäre Büchsenhausen eine uneinnehmbare Burg auf einem steilen Hügel. Die Flecken auf dem Putz sind wohl der geringste Preis für all die tausendfachen todbringenden Kanonen, die hier schon gegossen wurden. Von hier aus wurde und wird geliefert in alle Winkel der Erde, egal ob es die neuentdeckten großen Erdteile sind, die entferntesten Königreiche, die höchsten Bergpässe, oder gar die feindlichen Armeen dieser Welt.
»… GOSS MICH !« ist überall.
Wie ein Leuchtfeuer weist mir das einzig erhellte Fenster Schritt für Schritt den Weg nach oben. Ich verweile, da ich einen Schatten an der hellen Decke des Zimmers wahrnehme, der sich hin und her bewegt.
Es ist Katharinas Zimmer. Sie ist noch auf.
Max hat recht – sie hat alles eingefädelt.
Das unablässig flackernde Licht wirft das Bild eines schnell größer werdenden, und wiederum schnell schrumpfenden Menschen an die Wand. Das Glanzlicht dort oben verursacht viele Schatten. Katharina ist wie ein unfertiges Relief mit unklaren Konturen, wie der unscharfe Schatten dort oben, und wohl nur der geschickteste Meister wird diese Form je vollenden können.
Federnd nehme ich die Freitreppe und öffne das Haustor. Das Licht der Öllampe beleuchtet schwach die Eingangshalle, deren Steinboden von der reinlichkeitsbeflissenen Lene vom Blut gesäubert worden ist. Das Knarzen der alten Holztreppe läßt sich nicht vermeiden, dient aber den gesamten Bewohnern zur Überwachung der ankommenden Nachtschwärmer.
Bevor ich mein Zimmer betrete, höre ich, wie oben eine Tür geöffnet wird. Ich setze einen Schritt zurück und blicke hinauf.
Am oberen Treppenabsatz erscheint im schwachen Kerzenschein in ein weiß durchscheinendes Nachthemd gehüllt der Diamant des Hauses.
Mir stockt der Atem!
Ihre Augen starr auf mich gerichtet, beginnt sie mit der freien Hand langsam und elegant ihr Hemd von der Schulter zu streifen, bis es über ihren nackten Körper herabgleitet.
Im selben Augenblick spüre ich ihre lebendige Nacktheit wie einen Speer in meine Brust schlagen. Mir ist, als würde sie mir im selben Moment alle Waffen aus der Hand nehmen und jeglichen Zorn aus meinem Kopf herausschälen.
Das linke Bein leicht eingeknickt wie das Standbild einer griechische Aphrodite auf ihrem Sockel. Makellos wie weiß polierter Marmor mit darunterliegendem Adernetz. Die Aphrodite von Büchsenhausen.
Stumm hebt sie die Hand und winkt mich mit einer ruckartigen Armbewegung die Treppe hinauf.
Als wäre alles ein Traum, steige ich auf Zehenspitzen die Stufen empor. Mein Atem geht schwer, mein Herz pulsiert in meinem Hals. Bevor ich oben ankomme, bückt Aphrodite sich, schnappt mit der linken Hand ihr Hemdchen und huscht, mit der Kerze in der Rechten, voran in ihr Zimmer.
In ihrer Tür bleibe ich stehen und blicke zurück in Richtung hinteres Gangende, wo sich das Streitzimmer befindet. Alles ruhig! Nur mein gepreßter Atem ist zu hören.
Schnell trete ich ein und schließe die Tür lautlos hinter mir. Der kleine Riegel aus Bronze tönt wie ein Glöcklein.
Mit dem Rücken zur Tür blicke ich hinüber auf den schönsten Platz, den es in diesen Mauern gibt: Katharinas Bett.
Auf den karneolroten Laken, das ich noch nie bei der Wäsche gesehen habe, ruht die unbewachte Nacktheit in ihren Kissen. Ein großes rotes Becken, umgeben mit Porphyrsäulen mit Alabasterkapitellen und Atlashimmel, füllt den Raum zu einem Drittel und verleiht Katharinas Körperlinien eine reife weibliche Schönheit. Der Liebeshügel, auf dem sie liegt, der ist, weiß Gott, nicht nur für eine Person allein gemacht …
Gesicht, Busen und Leib wirken anziehend und zugleich verletzlich. Ihre spitzgeformten Brüste heben und senken sich schnell – sie ist hochgradig erregt. Kokett und herausfordernd wirkt der rechte, erhobene Arm, den sie hinter ihrem Kopf versteckt. »So lassen sich die besonders schönen venezianischen Kurtisanen malen«, höre ich Colin, als er mir eine nachempfundene Skizze einer
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