Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Wucht zwischen seinen Beinen – ein Klang, als wenn das Schlachtbeil durch das Fleisch hindurch auf den Knochen trifft. Seine Augen wären gleichermaßen hervorgequollen, hätte ich ihm mein Raufeisen ins Herz gestoßen.
Ein kurzes, kehliges »Auuuuh!« läßt den Riesen auf die Steinplatten krachen. Mein zweiter Fußtritt würde Hans Christoph voll zur Ehre gereichen. Mit dem Fußspann treffe ich sein Gesicht und verhindere damit sicher, daß Franz die nächsten Tage Rache nehmen kann. Die große Warze, die seine Nase geziert hat, klebt nun wie ein Klumpen auf seiner Stirn.
Gleich darauf springe ich mit beiden Stiefeln auf seine rechte Hand, die unter dem Druck des Aufsprungs auf der steinernen Unterlage mehrfach knackt. Mein Blick darauf bestätigt, daß auf ewiglich Waffengleichheit herrschen wird, da er seine Rechte nie mehr wirksam zum Schlag wird einsetzen können.
»Versorgt ihn!« rufe ich in den dunklen Flur, hinter dessen Türen sich das restliche Hausvolk verkrochen hat, einschließlich der Herrin.
Drei Blutlachen bilden sich aus. Eine zwischen seinen Beinen, die andere nahe seinem Kopf, die kleinste läuft langsam unter seiner Hand hervor – sein Herbst ist endgültig angebrochen.
»Pack ohne Eile deine Sachen und mach dich danach auf den Weg«, sage ich zu Antonia, die immer noch ängstlich hinter mir nahe dem Haustor steht. Hastig springt sie über den gefällten Körper, der nun zu stöhnen anfängt. Ich steige ebenfalls über Franz hinweg und höre, wie Max die knarrende alte Holztreppe heruntergesprungen kommt.
»Adam, warst du das?« weidet er sich mit staunendem Grinsen an Franzens Schicksal. »Sag, braucht er die Letzte Ölung? Was ist denn passiert?«
»Nicht hier. Komm mit rauf in mein Zimmer!«
Dem Wenigen, was ich ihm erzähle, lauscht Max mit schmeichelhafter Aufmerksamkeit.
»Mußtest du sie ausgerechnet heute vögeln?«
»Rotznase! Das handle ich mit mir selber aus.«
»Großartig, was du mir da erzählst. Das mit dem Franz ist einmalig! Das mit Antonia auch. Aber mit der Herrin? Übel, übel …«, grummelt Max vor sich hin. Dann blickt er mich an: »Das hast du sicher Katharina zu verdanken!«
»Katharina? Wieso?«
»Bestimmt hat sie ihre Mutter auf den Weg gebracht, weil sie scharf auf dich ist. Ist doch ganz einfach: Antonia steht ihr im Weg, daher muß sie aus dem Haus. Du bist doch sonst so gut mit der Kopfarbeit, Adam. Denk doch mal nach – von selbst wäre unser Hausdrachen doch nie daraufgekommen.«
»Gut, gut, Max! Vielleicht hast du recht mit deiner Vermutung … und nun?«
»Weißt du, wo unser Gestrengen heute nach dem Essen lustwandelt?«
»Ich denk, er ist krank mit seinem Wasser?«
»Dafür kuriert er sich im Wasser!«
»Was meinst du mit: … im Wasser!«
»Er liebt schon lange die Lustbarkeit, die zuchtlosen Herzen der Weiber, den unzüchtigen Sinn seiner Saufbrüder, die alle ihre Weisheiten draußen lassen vor den Badstuben, dafür aber ihren Schwänzen alles gönnen!«
»Ach so!«
»Adam!« klopft mir Max tröstend auf die Schulter. »Ich bin dir einiges schuldig. Laß ihn uns besuchen gehen – im Wasser!«
Mit langen Schritten eilen Max und ich den Berg hinunter, an der Nikolaus-Kirche vorbei, schlagen nicht den gewohnten Weg über die Brücke zur Stadt ein, sondern eilen an der Mariahilfer-Kirche und den alten Gießerwerkstätten vorbei, wieder bergauf in Richtung der alten Pfarrkirche, biegen in eine kleine Nebengasse und halten vor dem Tor eines breiten, zweistöckigen Hauses.
Z UM J UNGBRUNNEN steht über dem Eingang. An einem schmiedeeisernen Arm aufgehängt, schaukelt ein schon leicht verrostetes Blechschild mit einer Badewanne und einer Barbierschüssel.
Max poltert gegen die Tür:
»Aufmachen! Aufmachen, Meister Zankl!«
Es erscheint mir eine Ewigkeit, ehe etwas hinter der Tür rumort, doch anstatt daß ein Flügel sich öffnet, geht nur ein kleines Guckloch auf, durch das ein stupides Auge mißtrauisch herauslinst:
»Was wuits is?«
»Wir müssen sofort zu Meister Löffler!«
Das Auge blinzelt:
»Na! Is seits kuine Gäscht nit. Na! Is kunnt nit eini.«
Damit beginnt sich das Guckloch wieder zu schließen.
Max flucht leise und rammt mit seiner Faust das Schieberloch wieder auf, bringt seinen Mund an die Öffnung und brüllt in das zurückzuckende Auge und den Gang dahinter:
»Meister Zankl! He, Meister Zankl! Kommt zum Tor! Schnell!«
»Saububen, elende!« kreischt eine Weiberstimme aus einem Fenster des gegenüber
Weitere Kostenlose Bücher