Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
den Tower stecken!« empöre ich mich.
»Dafür kann man nicht nur«, widerspricht mir mein Gegenüber. »Dafür mußte man!«
»Also, jetzt begreife ich überhaupt nichts mehr«, gebe ich offen zu.
»Das merkt man«, grinst William schief. »Wenn du überhaupt etwas für mich tun willst, dann halte den Mund über das, was ich dir jetzt erzähle – nicht daß es ein Staatsgeheimnis wäre, nur, wie ich sagte, je schneller es in Vergessenheit gerät, um so besser für mich: Du weißt, daß dieser Babington von Maria Stuart ein Papier bekam, in dem die Schottin die Ermordung Königin Elizabeths gutgeheißen hat. Du weißt vermutlich auch, daß im Oktober der höchste Gerichtshof des Landes zusammentrat, um über die Verschwörerin zu richten und zu urteilen.«
»So fern ist Mayfield nun auch wieder nicht«, werfe ich ein, »daß nicht sogar bis dorthin das Tagesgespräch ganz Englands gedrungen wäre.«
»Natürlich«, fährt William fort, »war das ganze Verfahren eine Farce, und das Todesurteil für die Verschwörerin stand von Anfang an fest – Maria Stuart wußte das; Burghley und Bromley, die Vorsitzenden, wußten das; ganz England, ganz Europa wußte das.«
»Dann war …«
»Vorsicht, Adam!« unterbricht mich William sofort. »Auch wenn der Gerichtshof nach englischem Gesetz gar nicht berechtigt war, über die Schottenkönigin zu richten – nach unserem Gesetz muß jeder von seinesgleichen gerichtet werden, Maria Stuart hätte demnach also vor einen Gerichtshof von Königen gestellt werden müssen. Auch wenn das Urteil von vornherein feststand. Auch wenn die Babington-Verschwörung eine Falle war: Maria Stuart hat über viele Jahre hinweg Verschwörungen und Mordkomplotte gegen unsere Königin angezettelt. Sie war eine Mörderin – zumindest an ihrem zweiten Gatten Darnley -, und das Blut vieler Unschuldiger klebte an ihren Händen. Das Urteil über sie und ihre Hinrichtung waren nicht nur notwendig, sie waren gerecht – wenn in dieser Form vielleicht auch nicht so ganz rechtmäßig. Vergiß das nie, wenn du über Maria Stuart sprichst!«
»Nun gut«, komme ich auf das eigentliche Thema zurück, »aber was hast du nun mit dieser ganze Sache zu tun?«
»Das Todesurteil über die Schottin sprechen zu lassen war eine Sache. Das Todesurteil vollstrecken zu lassen eine ganz andere!
Auf gar keinen Fall durfte die Königin so tief darin verwickelt werden, daß man sie im Rest Europas dafür tadeln, gar eine Mörderin hätte nennen können. Auch die wichtigsten Männer des Staates, Sir Francis Walsingham, Lordadmiral Charles Howard of Effingham und sogar auch William Cecil, Lord Burghley, mußten äußerlich einen Rest Unschuld bewahren können.
So war es denn meine Aufgabe als Zweiter Staatssekretär die Königin mißzuverstehen und das zu tun, was getan werden mußte.
Zunächst zögerte die Königin offiziell über drei Monate, das von Burghley und Bromley ausgefertigte Todesurteil überhaupt zu unterzeichnen. Dann, es war der 1. Februar, erhielt ich durch Lord Howard den Befehl nach Greenwich zu kommen und das Urteil der Königin zur Unterschrift vorzulegen. Ich tat, wie mir befohlen.
Die Königin zögerte. Am nächsten Morgen wurde ich nochmals nach Greenwich gerufen. Aller Staatsraison zum Trotz war die Königin offenbar unschlüssig geworden, ob das Urteil denn nun tatsächlich vollstreckt werden sollte, ob es denn nicht doch einen anderen Weg gäbe. Fast eine halbe Stunde wanderte sie unruhig im Zimmer auf und ab, klagte, daß jede Bürde auf ihre Schultern geworfen werden, verließ schließlich das Zimmer.
Natürlich hat sie nicht gesagt, ich solle das Urteil vollstrecken lassen, das konnte, das durfte sie nicht, nicht einmal mir gegenüber. Aber sie hat das Urteil – ich hielt es die ganze Zeit in den Händen - auch nicht zurückgefordert. Als Absicherung für mich selbst hatte mir Sir Francis geraten, den Geheimen Staatsrat einzuschalten. Sir Christopher Hatton veranlaßte das auf meine Bitte hin, und bei der Abstimmung fehlte nur Sir Francis Walsingham, der krank in Barn Elms darniederlag.«
»Eine höchst nützliche Krankheit zu einem ungemein günstigen Zeitpunkt«, bemerke ich mit Ironie.
William blinzelt mir zu:
»Zweifellos, doch notwendig für den exponiertesten Mann in dieser Angelegenheit. Nun, der Rest dürfte sich wie überall lauffeuerartig auch bis nach Mayfield herumgesprochen haben. Ja, lieber Adam, das also ist meine Geschichte.«
»Aber wie konnten dich die Mitglieder
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