Der Meister und Margarita
Dank! Jetzt rede ich Ihnen schon eine halbe Stunde zu. Sie kommen also?" "Ich komme", antwortete Margarita Nikolajewna schlicht. "Dann nehmen Sie bitte dies", sagte Asasello, holte ein rundes Golddöschen aus der Tasche und reichte es Margarita. "Stecken Sie's ein, die Passanten kucken schon. Sie werden's brauchen können, Margarita Nikolajewna, Sie sind im letzten halben Jahr vor Kummer ziemlich gealtert. (Margarita wurde flammend rot, sagte aber nichts.) Heute abend genau um halb zehn werden Sie sich nackt ausziehen und sich das Gesicht und den ganzen Körper mit dieser Creme einreiben. Dann können Sie machen, was Sie wollen, aber gehen Sie nicht vom Telefon weg. Um zehn ruf ich Sie an und sag Ihnen alles Nötige. Weiter brauchen Sie sich um nichts zu kümmern, man wird Sie an Ort und Stelle bringen, und Ihnen wird nichts passieren. Verstanden?" Margarita schwieg ein Weilchen, dann antwortete sie: "Verstanden. Die Dose ist aus Gold, man merkt's am Gewicht. Na schön, ich verstehe sehr wohl, man will mich kaufen und in irgendeine dunkle Geschichte hineinziehen, für die ich teuer bezahlen muß."
"Was soll denn das heißen?" zischte Asasello. "Fangen Sie schon wieder an?"
"Nein, Augenblick!"
"Geben Sie die Creme wieder her!"
Margarita preßte das Döschen in der Hand und sprach weiter: "Nein, warten Sie ... Ich weiß, worauf ich mich einlasse. Aber ich tue alles um seinetwillen, denn ich habe keine Hoffnung mehr auf dieser Welt. Aber ich möchte Ihnen sagen, wenn Sie mich ins Verderben führen, dann müssen Sie sich schämen! Ja, schämen! Dann sterbe ich um der Liebe willen!" Sie schlug sich gegen die Brust und blickte in die Sonne.
"Geben Sie's zurück!" schrie Asasello wütend. "Geben Sie's zurück, zum Teufel mit alldem. Soll er Behemoth schicken!" "O nein!" rief Margarita zum Erstaunen der Passanten aus. "Ich bin mit allem einverstanden, ich bin bereit, die Komödie mit der Einreibung mitzuspielen, und ich komme mit, selbst wenn's zum Teufel auf die Hörner ginge! Ich geb's nicht wieder her!" "Nanu!" brüllte plötzlich Asasello, starrte mit weit aufgerissenen Augen zum Gitter des Alexandrowski-Gartens und zeigte mit dem Finger.
Margarita drehte sich um und blickte in die Richtung, die Asasello ihr wies, konnte aber nichts Besonderes entdecken. Dann wandte sie sich ihm wieder zu, um sich dieses blöde "Nanu!" erklären zu lassen, aber es war niemand mehr da, der es ihr hätte erklären können: Ihr geheimnisvoller Gesprächspartner war verschwunden. Margarita fuhr mit der Hand in ihr Täschchen, in dem sie vor dem Ruf das Döschen versteckt hatte, und überzeugte sich, daß es noch da war. Dann verließ sie, ohne weiter nachzudenken, eilig den Alexandrowski-Garten.
20 Die Creme des Asasello
Am abendlich klaren Himmel hing der Vollmond, durchs Gezweig des Ahorns deutlich sichtbar. Die Linden und Akazien im Garten zeichneten verschlungene Fleckenmuster auf die Erde. Das dreiteilige Erkerfenster stand offen, war aber mit der Gardine verhängt und leuchtete im grellen Lampenlicht. In Margarita Nikolajewnas Schlafzimmer brannten sämtliche Lampen und beleuchteten eine totale Unordnung. Auf der Bettdecke lagen Hemdchen, Strümpfe und Unterwäsche, zerknüllte Wäschestücke lagen auch auf dem Fußboden neben einer in der Aufregung zerdrückten Zigarettenschachtel. Auf dem Nachttisch standen Schuhe neben einer halbgeleerten Kaffeetasse und einem Aschenbecher, in dem ein Zigarettenrest qualmte. Auf der Stuhllehne hing ein schwarzes Abendkleid. Das Zimmer roch nach Parfüm. Überdies kam von irgendwo der Geruch eines erhitzten Bügeleisens.
Margarita Nikolajewna saß vor dem Spiegel, sie trug nur einen Bademantel auf dem nackten Körper und schwarze Wildlederschuhe. Die goldene Armbanduhr lag vor ihr neben dem Gold-döschen von Asasello, und Margarita ließ kein Auge vom Zifferblatt.
Zeitweilig hatte sie das Gefühl, daß die Uhr kaputt sei und die Zeiger stillstünden. Aber sie bewegten sich, wenn auch sehr langsam und scheinbar klebend, und endlich erreichte der große Zeiger die neunundzwanzigste Minute der zehnten Stunde. Margaritas Herz tat einen harten Schlag, so daß sie nicht sofort nach dem Döschen greifen konnte. Sie bezwang sich jedoch, öffnete es und erblickte eine fettige gelbliche Creme, die nach Sumpfschlamm zu riechen schien. Mit der Fingerspitze strich sie sich etwas davon auf die Hand, wodurch der Geruch nach Wald und Sumpfpflanzen noch stärker wurde, dann verrieb sie es auf Stirn und
Weitere Kostenlose Bücher