Der Meister und Margarita
Messere", antwortete der Kater würdevoll, "oder soll ich vielleicht auch noch Stiefel anziehen? Einen gestiefelten Kater gibt's nur im Märchen, Messere. Aber habt Ihr schon mal auf dem Ball jemand ohne Schleife gesehen? Ich habe nicht die Absicht, mich lächerlich zu machen und zu riskieren, daß man mich rausschmeißt! Jeder schmückt sich, wie er kann. Das gilt auch für das Opernglas, Messere!"
"Aber der Schnurrbart?"
"Ich verstehe nicht", entgegnete der Kater trocken, "wieso Asasello und Korowjew sich heute nach dem Rasieren mit weißem Puder bestreuen durften und warum es besser sein soll als goldenes. Ich hab mir nur den Schnurrbart gepudert, weiter nichts! Was anderes wär's, wenn ich mich rasiert hätte! Ein rasierter Kater ist in der Tat eine Schweinerei, das will ich tausendmal zugeben. Aber ich sehe" — die Stimme des Katers zitterte vor Kränkung —, "daß man an mir herumkrittelt. Nun entsteht für mich ein ernstes Problem — soll ich überhaupt am Ball teilnehmen? Was sagt Ihr dazu, Messere?"
Vor Beleidigung blies sich der Kater dermaßen auf, daß es schien, als würde er jeden Moment platzen. "Ach, dieser Gauner, dieser Gauner", sagte Voland und wiegte den Kopf, "jedesmal, wenn seine Partie hoffnungslos steht, schwatzt er einen besoffen wie der letzte Marktschreier. Setz dich sofort hin und hör-auf mit deinem Gequassel!" "Ich setze mich", antwortete der Kater, indem er sich setzte, "aber was das letzte betrifft, so muß ich widersprechen. Meine Reden sind keineswegs Gequassel, wie Sie sich in Gegenwart einer Dame auszudrücken beliebten, sondern eine Reihe gut verpackter Syllogismen, die Kenner nach ihrem Wert schätzen würden, solche wie Sextus Empiricus, Martianus Capeila und am Ende gar Aristoteles." "Schach dem König", sagte Voland.
"Bitte, bitte", antwortete der Kater und schaute durchs Opernglas aufs Brett.
"Also", sagte Voland zu Margarita, "ich empfehle Euch mein Gefolge, Donna. Der hier den Narren spielt, ist der Kater Behe-moth. Asasello und Korowjew kennt Ihr bereits, und nun stelle ich Euch meine Dienerin Gella vor. Sie ist aufgeweckt und anstellig, und es gibt keinen Dienst, den sie nicht zu leisten vermöchte."
Die schöne Gella richtete ihre grünlichen Augen auf Margarita und lächelte, doch sie hörte dabei nicht auf, mit der hohlen Hand Salbe zu schöpfen und Voland aufs Knie zu packen. "Nun, das sind alle", schloß Voland und verzog das Gesicht, als Gella sein Knie besonders heftig drückte, "es ist, wie Ihr seht, eine kleine, gemischte und arglose Gesellschaft." Er verstummte und drehte den Globus, der so kunstvoll gearbeitet war, daß die blauen Ozeane wogten und die Polkappen so echt aussahen, als wären sie wirklich aus Schnee und Eis.
Auf dem Brett war unterdes Verwirrung entstanden. Unmutig trippelte der König im weißen Umhang auf seinem Feld und hob verzweifelt die Arme. Drei weiße Bauern, Landsknechte mit Hellebarden, blickten bestürzt auf den Offizier, der den Degen schwenkte und nach vorn wies, wo auf zwei Nachbarfeldern, einem weißen und einem schwarzen, Volands schwarze Ritter auf feurigen Rappen saßen, die mit den Hufen ihr Feld stampften.
Margarita sah mit großem Erstaunen und Interesse, daß die Schachfiguren lebendig waren.
Der Kater nahm das Glas von den Augen und knuffte seinen König in den Rücken. Der barg verzweifelt das Gesicht in den Händen.
"Schlimm steht's, teurer Behemoth", sagte Korowjew leise und giftig- "Die Lage ist ernst, aber keineswegs hoffnungslos", entgegnete Behemoth, "mehr noch: Ich bin vom Endsieg fest überzeugt. Ich muß nur mal gründlich die Stellung analysieren." Diese Analyse nahm er auf ziemlich seltsame Weise vor: Er schnitt Grimassen und zwinkerte seinem König zu.
"Das nützt nichts", bemerkte Korowjew.
"Au!" schrie Behemoth, "die Papageien sind weggeflogen, ich hab's Euch ja gesagt!"
Tatsächlich hörte man in der Ferne das Rauschen zahlloser Flügel. Korowjew und Asasello stürzten aus dem Zimmer. "Der Teufel soll euch holen samt euren Ballattraktionen!" knurrte Voland und ließ kein Auge von seinem Globus. Kaum waren Korowjew und Asasello verschwunden, da nahm Behemoths Zwinkern verstärkte Ausmaße an. Der weiße König begriff endlich, was von ihm erwartet wurde. Er riß sich den Umhang von den Schultern, warf ihn auf das Feld und flüchtete vom Brett. Der Offizier legte den weggeworfenen Königsmantel an und nahm den Platz des Königs ein. Korowjew und Asasello kehrten zurück.
"Schwindel, wie
Weitere Kostenlose Bücher