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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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interessiert uns das Weitere, nicht mehr das bereits vollzogene Faktum. Sie waren stets ein leidenschaftlicher Verfechter jener Theorie, die da besagt, daß nach Trennung des Kopfes vom Rumpf das Leben im Menschen aufhört, er zu Staub wird und ins Nichtsein eingeht. Ich freue mich, Ihnen in Anwesenheit meiner Gäste, die freilich der lebendige Beweis für eine ganz andere Theorie sind, mitteilen zu können, daß Ihre Theorie fundiert und scharfsinnig ist. Im übrigen ist die eine Theorie soviel wert wie die andere. Es gibt auch eine, nach der jedem das zuteil wird, woran er glaubt. Möge es eintreffen! Sie verschwinden ins Nichtsein, und es ist mir eine Freude, aus dem Kelch, in den Sie sich verwandeln werden, auf das Sein zu trinken!" Voland hob den Degen. Sogleich wurden die Deckschichten des Kopfes dunkel und schrumpften, dann fielen sie stückweise ab, die Augen verschwanden, und Margarita erblickte alsbald in der Schüssel einen gelblichen Totenkopf auf goldenem Fuß, mit Smaragdaugen und Perlenzähnen. Das Schädeldach ließ sich an einem Scharnier aufklappen.
    "Sogleich, Messere", sagte Korowjew auf einen fragenden Blick Volands, "gleich wird er vor Euch erscheinen. Ich höre in dieser Grabesstille seine Lackschuhe knarren und sein Glas klingen, als er es auf den Tisch setzt, nachdem er zum letztenmal im Leben Champagner getrunken hat. Seht, da ist er ja schon."
    Ein neuer Gast war eingetreten und schritt auf Voland zu. Äußerlich unterschied er sich nicht von den übrigen männlichen Gästen, außer daß er vor Erregung förmlich taumelte, was schon von weitem zu sehen war. Auf seinen Wangen brannten rote Flecke, seine Augen irrlichterten. Er war fassungslos, und das war ganz natürlich, denn alles hier verblüffte ihn, vor allem Volands Aufmachung.
    Er wurde jedoch mit ausgesuchter Freundlichkeit empfangen. "Ah, mein lieber Baron Maigel", rief Voland mit herzlichem Lächeln seinem Gast zu, dem die Augen aus dem Kopf quollen. "Ich bin so glücklich, Euch" — Voland wandte sich an die Gäste — "den ehrenwerten Baron Maigel vorzustellen, der bei der Schauspielkommission damit befaßt ist, Ausländer mit den Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt vertraut zu machen." Da erkannte Margarita diesen Maigel und erstarrte. Er war ihr ein paarmal in den Theatern und Restaurants von Moskau begegnet. Nanu, dachte sie, ist der etwa auch schon tot? Aber alles klärte sich alsbald auf.
    "Der liebe Baron", fuhr Voland fort und lächelte freudig, "war so liebenswürdig, daß er mich, kaum hatte er von meiner Ankunft in Moskau gehört, sogleich anrief und mir seine speziellen, Dienste anbot, das heißt, er wollte mich mit den Sehenswürdigkeiten vertraut machen. Es versteht sich von selbst, daß ich glücklich war, ihn zu mir einzuladen."
    In diesem Moment sah Margarita Asasello die Schüssel mit dem Schädel an Korowjew übergeben.
    "Apropos, Baron", fuhr "Voland mit vertraulich gesenkter Stimme fort, "man hört Gerüchte über Eure außergewöhnliche Wißbegier. Es heißt, diese errege in Verbindung mit Eurer nicht geringeren Gesprächigkeit allgemeine Aufmerksamkeit. Mehr noch, böse Zungen gebrauchen bereits die Worte Spitzel und Spion. Außerdem gibt es die Vermutung, das werde für Euch in spätestens einem Monat zu einem traurigen Ende führen. Nun wohl, um Euch vom quälenden Warten zu erlösen, haben wir beschlossen, Euch zu Hilfe zu kommen und dabei den Umstand zu nutzen, daß Ihr Euch bei mir eingeladen habt mit dem erklärten Ziel, soviel wie möglich zu erspähen und zu erhorchen." Der Baron wurde noch bleicher als Abadonna, der schon von Natur sehr bleich war, dann geschah etwas Seltsames. Abadonna stand plötzlich vor dem Baron und nahm für einen Moment die Brille ab. Im selben Augenblick blitzte es in Asasellos Hand auf, ein leiser Knall, der Baron fiel auf den Rücken, rubinrotes Blut spritzte ihm aus der Brust und überströmte seine Weste und das gestärkte Frackhemd. Korowjew hielt die Schale unter den sprudelnden Strom und überreichte sie gefüllt Voland. Währenddes lag der Körper des Barons bereits leblos. "Ich trinke auf Eure Gesundheit, meine Herrschaften", sagte Voland gedämpft, hob die Schale und führte sie an die Lippen. Daraufhin vollzog sich eine Metamorphose. Das geflickte Hemd und die abgetretenen Schuhe verschwanden. Voland trug jetzt eine schwarze Chlamys und einen Stahldegen an der Seite. Rasch trat er auf Margarita zu, reichte ihr die Schale und sagte gebieterisch: "Trink!"
    Margarita

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