Der Meister und Margarita
verbrannt und in den Fluß geworfen, aber nichts hilft"
"Was denn für ein Tuch?" flüsterte Margarita, wobei sie die Hand hob und senkte.
"Es ist ein Taschentuch mit blauem Saum. Die Sache ist die, daß sie, in einem Kaffeehaus bedienstet war und der Prinzipal sie eines Tages in den Vorratsraum rief. Neun Monate später gebar sie einen Knaben, trug ihn in den Wald, stopfte ihm das Tuch in den Mund und grub ihn ein. Vor Gericht sagte sie, sie habe nicht gewußt, wie sie das Kind ernähren solle." "Und wo ist der Besitzer des Kaffeehauses?" "Königin", knarrte plötzlich von unten der Kater, "gestattet mir eine Frage: Was hat der Besitzer damit zu tun? Schließlich hat nicht er den Säugling im Wald erstickt!"
Margarita hörte nicht auf, zu lächeln und mit der rechten Hand zu winken, die spitzen Nägel ihrer Linken aber bohrten sich in Behemoths Ohr. "Wenn du Aas dir noch einmal erlaubst, dich ins Gespräch zu mischen . ..", flüsterte sie ihm zu. Behemoth ließ ein röchelndes Piepsen hören, das gar nicht zum Ball paßte: "Königin . .. das Ohr wird doch dick .. . Warum den Ball durch ein geschwollenes Ohr verderben? Ich hab doch juristisch gesprochen, vom juristischen Standpunkt... Ich schweige, ich schweige, denkt einfach, daß ich kein Kater bin, sondern ein Fisch, nur laßt das Ohr los!"
Margarita ließ das Ohr los, und die finsteren, suchenden Augen waren jetzt dicht vor ihr.
"Ich bin glücklich, o Königin, daß ich die Einladung erhielt für den großen Vollmondball!"
"Und ich freue mich, Sie zu sehen", antwortete ihr Margarita, "ich freue mich sehr. Trinken Sie gern Champagner?" "Was geruht Ihr zu tun, Königin?!" schrie Korowjew ihr lautlos ins Ohr. "Es kommt zu einer Stockung."
"Sehr gern", sagte die Frau flehend und sprach plötzlich mechanisch vor sich hin: "Frida, Frida, Frida! Ich heiße Frida, o Köni-gin!"
"Betrinken Sie sich heute, Frida, und denken Sie an nichts", sagte Margarita.
Frida streckte beide Arme nach Margarita aus, aber Korowjew und Behemoth faßten sie sehr geschickt unter, und die Menge trug sie mit sich fort.
Jetzt kamen die Gäste schon in dichter Wand die Treppe herauf, als wollten sie das Podest stürmen, auf dem Margarita stand. Die nackten Frauenkörper gingen zwischen befrackten Männern. Ihre brünetten und weißen, kaffeebraunen und schwarzen Körper schwebten Margarita zu, in roten, schwarzen, kastanienbraunen und flachsblonden Haaren spielten gleißend und funkensprühend kostbare Steine. Von den Frackbrüsten der anstürmenden Männer, als wäre Licht auf die Kolonne getropft, sprühte Licht aus Brillantknöpfen. Jetzt spürte Margarita schon alle Sekunden die Berührung von Lippen an ihrem Knie, alle Sekunden streckte sie die Hand vor, und ihr Gesicht war zu einer reglosen freundlichen Larve erstarrt. "Ich bin entzückt", leierte Korowjew monoton, "wir sind entzückt ... die Königin ist entzückt..." "Die Königin ist entzückt", näselte Asasello hinten. "Ich bin entzückt!" schrie der Kater.
"Die Marquise da hat ihren Vater, zwei Brüder und zwei Schwestern um der Erbschaft willen vergiftet", murmelte Korowjew. "Die Königin ist entzückt! Frau Minkina ... Ach, ist die schön! Ein bißchen nervös. Warum mußte sie auch dem Zimmermädchen das Gesicht mit der Lockenschere verbrennen? Da kann man natürlich erstochen werden. — Die Königin ist entzückt! — Königin, gebt Obacht! Kaiser Rudolf, ein ZaÜberer und Alchimist. Noch ein Alchimist, er wurde gehängt. Ach, sie ist auch da! Was hatte sie für ein großartiges Freudenhaus in Straßburg! — Wir sind entzückt! — Das da ist eine Moskauer Schneiderin, wir mögen sie alle sehr wegen ihrer unerschöpflichen Phantasie. Sie hatte einen Modesalon und war auf den furchtbar komischen Gedanken gekommen, zwei runde Löcher in die Wand zu bohren ..."
"Und die Damen haben das nicht gewußt?" fragte Margarita. "Alle haben sie's gewußt, Königin", antwortete Korowjew. — "Ich bin entzückt! — Dieses zwanzigjährige Jüngelchen zeichnete sich von klein auf durch seltsame Eigenschaften aus. Er war ein Träumer und ein Sonderling. Ein junges Mädchen gewann ihn lieb, doch er verkaufte sie in ein Freudenhaus ..." Unten strömte der Fluß der Gäste. Es war kein Ende abzusehen. Seine Quelle, der mächtige Kamin, speiste ihn fort und fort. So verging eine Stunde, und eine zweite brach an. Da merkte Margarita, daß ihre Kette immer schwerer wurde. Auch mit der Hand geschah etwas Merkwürdiges. Jedesmal, wenn sie
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