Der Meister und Margarita
Tiger betrifft, so werde ich sie braten lassen." "Tiger kann man nicht essen", sagte Gella. "Meint Ihr? Dann hört bitte", antwortete der Kater und erzählte, vor Vergnügen blinzelnd, wie er einmal neunzehn Tage lang durch die Wüste gewandert sei und sich nur vom Fleisch eines von ihm getöteten Tigers ernährt habe. Alle lauschten der spannenden Erzählung mit Interesse, und als Behemoth endete, riefen sie im Chor: "Schwindel!" "Das interessanteste an diesem Schwindel", sagte Voland, "alles vom ersten bis zum letzten Wort ist gelogen." "Ach so? Gelogen?" rief der Kater, und alle dachten, er würde protestieren, aber er sagte nur leise: "Die Geschichte wird unser Richter sein."
"Sagen Sie", wandte sich die vom Wodka belebte Margarita an Asasello, "haben Sie ihn erschossen, den ehemaligen Baron?" "Natürlich", antwortete Asasello, "wie sollte ich ihn nicht erschießen? Ich mußte es tun."
"Ich war so aufgeregt!" rief Margarita. "Das kam dermaßen überraschend!"
"Gar nicht überraschend", erwiderte Asasello. "Wie soll man sich da nicht aufregen? Mir haben ja selber die Knie gezittert! Rums! Zack! Schon lag er flach!" heulte und jammerte Korowjew.
"Ich wäre beinah hysterisch geworden", fügte der Kater hinzu und leckte den Kaviarlöffel ab. .
"Eins begreife ich nicht", antwortete Margarita, und vom Kristall hüpften goldene Funken in ihren Augen, "die Musik und der Lärm vom Ball müssen doch draußen zu hören gewesen sein?"
"Selbstverständlich war nichts zu hören, Königin", erklärte Korowjew, "man muß es so machen, daß nichts zu hören ist. Schön ordentlich muß man es machen."
"Naja, na ja ... Aber da war doch dieser Mann auf der Treppe, als ich mit Asasello kam, und der andere unten an der Hoftür ... Ich glaube, Ihre Wohnung wird überwacht." "Gewiß, gewiß!" rief Korowjew. "Gewiß, teure Margarita Nikolajewna! Sie bestätigen da meinen Verdacht! Ja, er überwacht die Wohnung! Ich selber hätte ihn vielleicht noch für einen zerstreuten Privatdozenten gehalten oder für einen Verliebten, der auf der Treppe schmachtet. Aber nein, nein! Ich hatte so ein eisiges Gefühl unterm Herzenija, die Wohnung überwacht er! Und der andere an der Haustür auch! Und auch der im Torweg!" "Und wenn man Sie nun verhaften kommt?" fragte Margarita. "Bestimmt kommt man, bezaÜbernde Königin, bestimmt!" antwortete Korowjew. "Mein Herz spürt, daß man uns verhaften kommt. Nicht jetzt natürlich, doch zu gegebener Zeit kommt man ganz bestimmt. Aber ich glaube, das wird nicht besonders interessant."
"Ach, war ich aufgeregt, als der Baron hinfiel!" sagte Margarita, noch immer sichtlich mitgenommen von dem Mord; sie hatte so etwas zum erstenmal im Leben mit angesehen. "Sie schießen gewiß gut?"
"Leidlich", antwortete Asasello.
"Auf wieviel Schritt?" fragte Margarita etwas unklar.
"Kommt drauf an, worauf, antwortete Asasello sachlich, "es ist eine Sache, mit dem Hammer die Fenster des Kritikers Latunski zu treffen, und eine andere, ihn ins Herz zu schießen."
"Ins Herz?" rief Margarita und griff nach dem ihren. "Ins Herz!"
wiederholte sie dumpf.
"Was ist das für ein Latunski?" fragte Voland und musterte Margarita mit eingekniffenen Augen.
Asasello, Korowjew und Behemoth senkten schamhaft den Blick, und Margarita antwortete errötend:
"Das ist so ein Kritiker. Ich habe heute abend seine Wohnung demoliert."
"Nanu, warum denn das?"
"Er hat einen Meister auf dem Gewissen, Messere", erläuterte Margarita.
"Warum mußtet Ihr Euch selber bemühen?" fragte Voland. "Erlaubt mir, Messere!" schrie der Kater freudig und sprang auf. "Bleib sitzen", knurrte Asasello und erhob sich, "ich fahre sofort hin ..."
"Nein!" rief Margarita. "Nein, ich flehe Sie an, Messere, das ist nicht nötig!" < "Wie Ihr wünscht, wie Ihr wünscht", antwortete Voland, und Asasello setzte sich wieder auf seinen Platz. "Wo waren wir stehengeblieben, meine herrliche Königin Margot?" sagte Korowjew. "Ach ja, das Herz ... Er trifft ins Herz" — Korowjew zeigte mit dem langen Finger in Asasellos Richtung —, "und zwar nach Wahl in jede Vorkammer oder Herzkammer."
Margarita verstand nicht sofort, doch dann rief sie verwundert aus: , "Aber die sind doch gar nicht zu sehen!" "Meine Teure", klirrte Korowjew, "das ist ja grade der Witz! Darin liegt doch die ganze Würze! Einen sichtbaren Gegenstand kann schließlich jeder treffen!"
Korowjew entnahm dem Tischkasten eine Pik-Sieben, gab sie Margarita und bat sie, mit dem Fingernagel eines der Augen
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