Der Meister und Margarita
schwarzer Neptun ließ einen rosa Strahl aus seinem Rachen sprudeln. Betäubender Champagnerduft entstieg dem Bassin. Hier herrschte ungezwungene Heiterkeit. Dje Damen gaben ihre Handtäschchen lachend ihren Kavalieren oder den Negern, die mit Badelaken in den Händen herumliefen, und stürzten sich kreischend kopfüber ins Bassin. Schaumsäulen spritzten hoch. Der kristallene Grund des Bassins war von unten erleuchtet, das Licht durchdrang den Wein, so daß die silbrigen schwimmenden Körper deutlich zu sehen waren. Wer aus dem Bassin heraussprang, war total berauscht. Gelächter schallte unter den Säulen und dröhnte wie im Dampfbad.
In all dem Gewimmel prägte sich Margarita nur ein völlig betrunkenes Frauenantlitz ein mit wahnsinnigen, doch im Wahnsinn flehenden Augen, und sie hörte nur ein Wort — "Frida". Ihr schwindelte der Kopf von dem Weingeruch, und sie wollte schon gehen, da führte der Kater im Bassin ein Stückchen auf, das sie zurückhielt. Behemoth fummelte an Neptuns Rachen, sofort verschwand die wogende Champagnermasse zischend und brausend aus dem Bassin, und Neptun spie jetzt einen nicht mehr schäumenden Strahl von dunkelgelber Farbe. "Kognak!" kreischten und heulten die Damen und flüchteten vom Bassinrand hinter die Säulen. In wenigen Augenblicken war das Bassin voll. Der Kater warf sich in dreifachem Salto in den sanft wogenden Kognak. Prustend kroch er wieder heraus, die Schleife hing schlapp herunter, die Vergoldung seines Schnurrbarts sowie sein Opernglas hatte er verloren. Nur eine Frau entschloß sich, seinem Beispiel zu folgen, jene einfallsreiche Schneiderin und ihr Kavalier, ein unbekannter junger Mulatte. Beide sprangen hinein in den Kognak, aber da nahm Korowjew Margarita beim Arm, und sie verließen das Bassin.
Es war Margarita, als flöge sie über riesige steinerne Teiche mit Bergen von Austern hinweg. Dann flog sie über gläsernen Boden, darunter brannten höllische Feuer, zwischen denen diabolische weiße Köche hasteten. Dann sah sie, obwohl sie schon keinen Gedanken mehr fassen konnte, irgendwo dunkle Keller, in denen Leuchter brannten und junge Mädchen auf Kohlenglut gebratenes zischendes Fleisch reichten und man ihr aus großen Humpen zutrank. Dann sah sie auf einer Estrade Eisbären Harmonika spielen und einen Komarinski tanzen, dann einen Salamander und Trickkünstler, der im Kamin nicht verbrannte ... Zum zweitenmal verließen sie die Kräfte.
"Ein letztes Mal", flüsterte Korowjew ihr besorgt zu, "dann sind wir frei!"
Wieder befand sie sich, von ihm begleitet, im Ballsaal, doch jetzt wurde hier nicht mehr getanzt, die unübersehbare Menge der Gäste drängte sich zwischen den Säulen und ließ die Mitte des Saales frei. Margarita wußte nicht mehr, wer ihr hinaufgeholfen hatte auf das Podest, das sich auf einmal mitten in dem freien Raum erhob. Oben angelangt, hörte sie zu ihrer Verwunderung irgendwo Mitternacht schlagen, die nach ihrer Rechnung längst verstrichen war. Mit dem letzten Schlag der Uhr senkte sich Schweigen auf die Menge der Gäste. Da sah Margarita Voland wieder. Er kam, umgeben von Abadonna, Asasello und den schwarzen jungen Männern, die Abadonna ähnelten. Für ihn stand gegenüber ein zweites Podest-bereit. Aber er machte keinen Gebrauch davon. Margarita wunderte sich, daß er bei seinem letzten großen Auftritt auf dem Ball das gleiche trug wie im Schlafzimmer: dasselbe schmutzige geflickte Nachthemd, das ihm von den Schultern hing, und an den Füßen abgetretene Hausschuhe. Er hatte einen entblößten Degen bei sich, den er jedoch, sich auf ihn stützend, als Spazierstock benutzte. Hinkend ging Voland zu seinem Podest und blieb davor stehen. Asasello trat vor ihn, eine Schüssel in der Hand, in der Margarita einen abgeschnittenen menschlichen Kopf mit ausgeschlagenen Vorderzähnen erblickte. Noch immer herrschte völlige Stille, die, nur einmal in der Ferne ein unter diesen Umständen unverständliches Klingeln unterbrach, wie es an Haustüren zu ertönen pflegt.
"Michail Alexandrowitsch", sagte Voland halblaut zu dem Kopf, da hoben sich die Lider des Toten, und Margarita erblickte zusammenzuckend lebendige Augen, grübelnd und voller Leid. "Alles ist eingetroffen, stimmt's?" fuhr Voland fort und blickte dem Kopf in die Augen. "Der Kopf wurde Ihnen von einer Frau abgeschnitten, die Sitzung fand nicht statt, und ich hause in Ihrer Wohnung. Das ist ein Faktum. Und ein Faktum ist das Hartnäckigste, was man sich denken kann. Aber jetzt
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