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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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zu ritzen. Margarita zeichnete das Auge in der rechten oberen Ecke. Gella schob die Karte unter ein Kissen und rief: "Fertig!" Asasello, der dem Kissen den Rücken zukehrte, zog aus der Tasche seiner Frackhose eine schwarze automatische Pistole, legte im Sitzen die Mündung auf die Schulter und schoß, ohne sich dem Bett zuzuwenden, was Margarita einen lustigen Schreck einjagte. Die Pik-Sieben wurde unter dem durchschossenen Kissen hervorgeholt. Das von Margarita gezeichnete Auge war getroffen.
    "Ich möchte Ihnen nicht begegnen, wenn Sie eine Pistole in der Hand haben", sagte Margarita mit einem koketten Blick auf Asasello. Sie hatte eine Leidenschaft für Menschen, die etwas erstklassig können.
    "Teure Königin", piepste Korowjew, "ich würde keinem Menschen raten, ihm zu begegnen, auch wenn er keine Pistole in der Hand hat. Ich gebe mein Ehrenwort als ehemaliger Kantor und Vorsänger, daß niemand Anlaß hätte, diesen Menschen zu beglückwünschen."
    Während des Schießexperiments hatte der Kater stirnrunzelnd dagesessen, und plötzlich erklärte er:
    "Ich mache mich anheischig, den Rekord mit der Pik-Sieben zu brechen."
    Asasello knurrte etwas statt einer Antwort. Aber der Kater blieb hartnäckig und verlangte nicht nur eine, sondern zwei Pistolen. Asasello holte die andere Pistole aus der anderen Gesäßtasche und reichte beide dem Prahlhans, wobei er verächtlich den Mund verzog. Auf der Pik-Sieben wurden zwei Augen markiert. Der Kater, vom Kissen abgewandt, zielte lange. Margarita hielt die Ohren mit den Fingern zu und blickte auf die Eule, die auf dem Kaminsims döste. Der Kater feuerte beide Pistolen ab, Gella kreischte auf, die getötete Eule fiel vom Kamin, und die zerschossene Uhr blieb stehen. Gella, deren eine Hand blutete, krallte sich heulend in die Wolle des Katers, der sie zur Antwort bei den Haaren packte. Zu einem Knäuel verklammert, rollten sie über den Fußboden. Ein Weinglas fiel vom Tisch und zerschellte.
    "Schafft mir die rasende Furie vom Hals", heulte der Kater und wehrte sich strampelnd gegen Gella, die rittlings auf ihm saß. Man trennte die Raufenden, Korowjew pustete auf Gellas getroffenen Finger, und die Wunde verheilte. "Ich kann nicht schießen, wenn neben mir geredet wird!" schrie Behemoth und bemühte sich, ein dickes Wollbüschel, das ihm ausgerissen worden war, wieder an seinem Platz zu befestigen. "Ich wette", sagte Voland und lächelte Margarita zu, "er hat das absichtlich gemacht, denn er schießt ganz leidlich." Gella und der Kater küßten sich zum Zeichen der Versöhnung. Die Karte wurde unterm Kissen hervorgeholt und untersucht. Kein Auge außer dem, das Asasello durchschossen hatte, war getroffen.
    "Das kann nicht sein", behauptete der Kater und hielt die Karte gegen das Licht des Kandelabers.
    Das fröhliche Abendessen dauerte fort. Die Kerzen tropften in den Kandelabern, die trockene duftende Kaminwärme breitete sich wellenweise im Zimmer aus. Margarita war gesättigt und sah wohlig ermattet zu, wie die blauen Ringe von Asasellos Zigarre in den Kamin schwebten, wo der Kater sie mit dem Degen aufspießte. Sie hatte keine Lust wegzugehen, obwohl die Zeit nach ihren Berechnungen schon weit vorgerückt war. Nach allem zu urteilen, ging es bereits auf sechs Uhr früh. Margarita benutzte eine Gesprächspause und sagte schüchtern zu Voland: "Ich glaube, ich muß gehen, es ist schon spät..." "Wo wollt Ihr denn so eilig hin?" fragte Voland höflich, doch ziemlich trocken. Die übrigen schwiegen und taten, als wären sie vollauf mit den Rauchringen beschäftigt. ,,Ja, ich muß gehen", wiederholte Margarita verwirrt und sah sich um, als suche sie einen Umhang oder einen Mantel. Ihre Nacktheit genierte sie plötzlich. Sie erhob sich vom Tisch. Voland nahm schweigend seinen durchgescheuerten speckigen Hausrock vom Bett, und Korowjew warf ihn ihr über die Schultern.
    "Ich danke Ihnen, Messere", sagte Margarita kaum hörbar und blickte Voland fragend an. Der antwortete mit einem höflichen und gleichmütigen Lächeln. Düstere Schwermut legte sich Margarita aufs Herz. Sie fühlte sich betrogen. Offenbar hatte niemand die Absicht, sie für ihre Dienste auf dem Ball zu belohnen noch sie zurückzuhalten. Dabei war ihr völlig klar, daß sie nirgends mehr eine Bleibe hatte. Der flüchtige Gedanke, in die Villa zurückzukehren, rief einen inneren Verzweiflungsausbruch hervor. Sollte sie bitten, wie es ihr Asasello im Alexan-drowski-Garten lockend geraten hatte? Nein, um keinen

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