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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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alsbald zu dem verrückten Professor. Richtig! Er hat ja gesagt, die Sitzung wird nicht stattfinden, weil Annuschka schon das Öl verschüttet hat! Und wahrhaftig, sie wird nicht stattfinden! Mehr noch, er hat ja direkt gesagt, eine Frau werde Berlioz den Kopf vom Rumpf trennen! Ja, ja, ja! Eine Frau hat ja den Wagen gefahren! Was in aller Welt hat das zu bedeuten?
    Es blieb nicht der leiseste Zweifel, daß der geheimnisvolle Konsultant den gräßlichen Tod von Berlioz genau vorhergewußt hatte. Zwei Gedanken bohrten sich ins Gehirn des Lyrikers. Der erste — er ist keineswegs verrückt, das ist ja Blödsinn!, und der zweite — am Ende hat er das alles selber ausgeheckt? Aber bitte schön, wie denn? Na, das werden wir schon erfahren!
    Mit gewaltiger Willensanstrengung erhob sich Besdomny von der Bank und stürzte zurück, dahin, wo er mit dem Professor gesprochen hatte. Dieser war zum Glück noch nicht weggegangen. In der Kleinen Bronnaja-Straße flammten die Laternen auf, über den Patriarchenteichen leuchtete der goldene Mond, und in seinem stets trügerischen Licht dünkte es den Lyriker, daß jener stand und unterm Arm nicht seinen Spazierstock hielt, sondern einen Degen.
    Der Kantor im Ruhestand und Anbiederer saß da, wo noch vor kurzem Besdomny gesessen hatte. Er hatte sich jetzt einen sichtlich überflüssigen Zwicker auf die Nase geklemmt, in dem das eine Glas fehlte und das andere einen Sprung hatte. Dadurch sah er noch ekliger aus als vorhin, wo er Berlioz den Weg zu den Schienen wies.
    Besdomny wurde kalt ums Herz, als er sich dem Professor näherte, ihm ins Gesicht blickte und sich überzeugte, daß dieses Gesicht keinerlei Anzeichen von Wahnsinn zeigte noch je gezeigt hatte. • "Gestehen Sie, wer sind Sie eigentlich?" fragte er dumpf. Der Ausländer runzelte die Stirn, warf dem Lyriker einen Blick zu, als sähe er ihn zum erstenmal, und versetzte unwirsch: "Nix verstehn ... Nix Russisch sprechen ..."
    "Der Herr verstehen doch nicht", mischte sich der Kantor ein, wiewohl niemand ihn gebeten hatte, die Worte des Ausländers zu erläutern.
    "Tun Sie doch nicht so!" sagte Besdomny drohend zu dem Konsultanten und fror unterm Herzen. "Sie haben doch eben noch sehr schön russisch gesprochen. Sie sind kein Deutscher und kein Professor! Sie sind ein Mörder und Spion! Ihre Papiere!" schrie er wütend.
    Der rätselhafte Professor verzog angewidert den ohnehin schiefen Mund und zuckte die Achseln.
    "Bürger!" quasselte wieder der miese Kantor dazwischen. "Was belästigen Sie den ausländischen Touristen? Dafür wird man Sie strengstens bestrafen!"
    Der verdächtige Professor zog ein hochmütiges Gesicht, wandte sich ab und ging davon.
    Besdomny verlor die Fassung. Atemlos redete er auf den Kantor ein: "He, Bürger, helfen Sie mir, den Verbrecher festzunehmen! Sie sind dazu verpflichtet!"
    Der Kantor wurde äußerst lebhaft, er sprang auf und brüllte: "Ein Verbrecher? Wo? Ein ausländischer Verbrecher?" Seine Äuglein flitzten freudig umher. "Der da? Wenn er ein Verbre-eher ist, muß man als erstes ,Hilfe!' schreien. Sonst entwischt er. Los, wir beide zusammen, zugleich!" Und der Kantor sperrte den Rachen auf.
    Der verdutzte Besdomny gehorchte dem Scherzbold und schrie "Hilfe!", doch der Kantor hatte ihn genasführt und schrie nicht mit.
    Der einsame heisere Schrei des Poeten erbrachte keine guten Ergebnisse. Zwei junge Dinger wichen vor ihm zur Seite, und er hörte das Wort "besoffen".
    "Aha, du steckst wohl mit dem unter einer Decke?" schrie er erbost. "Was ist, willst du dich über mich lustig machen?-Laß mich vorbei!"
    Iwan sprang nach rechts, der Kantor ebenfalls, Iwan sprang nach links, der Schurke auch.
    "Hampelst du mir mit Absicht vor den Beinen rum?" schrie Besdomny in tierischer Wut. "Ich übergebe dich auch der Miliz!" Besdomny machte einen Versuch, den Halunken am Ärmel zu packen, doch er griff ins Nichts: der Kantor war wie vom Erdboden verschwunden.
    Besdomny stieß einen Schrei aus, blickte in die Ferne und gewahrte den verhaßten Professor. Der war schon am Ausgang zur Patriarchengasse, und er war nicht allein. Der mehr als zweifelhafte Kantor hatte sich ihm angeschlossen. Aber das war noch nicht alles. Als dritter im Bunde war da plötzlich ein Kater aufgetaucht, riesengroß wie ein Eber, rußschwarz, rabenschwarz, mit verwegenem Kavalleristenschnurrbart. Die drei bogen in die Patriarchengasse ein, der Kater auf den Hinterbeinen. Besdomny stürmte den Bösewichtern hinterher und merkte

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