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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Badezimmer versteckt. Es war dunkel im Flur. An die Wände tappend, erblickte er einen dünnen Lichtstreifen unter einer Tür, ertastete den Drücker und zog ohne besondere Kraftanstrengung die Tür auf. Der Haken sprang ab, Iwan stand im Badezimmer und dachte, er habe doch Glück gehabt.
    Jedoch sein Glück war nicht so groß, wie es wünschenswert gewesen wäre. Feuchtwarmer Wrasen schlug ihm entgegen, und im Schein der Kohlen, die im Badeofen glühten, sah er ein paar große Zuber an der Wand hängen. Die Wanne war mit scheußlichen schwarzen Flecken von abgeplatzter Emaille übersät. In der Wanne stand ein splitternacktes Frauenzimmer, mit Seifenschaum bedeckt, einen Bastwisch in der Hand. Kurzsichtig blinzelte sie dem eingebrochenen Iwan entgegen, den sie in der höllischen Beleuchtung offensichtlich verkannte, und sagte leise und fröhlich:
    "Kirjuschka, was soll der Unsinn! Sind Sie verrückt? Fjodor Iwa-nytsch kommt gleich zurück. Gehen Sie sofort raus!" Und sie schwenkte den Bastwisch gegen Iwan.
    Das Mißverständnis lag auf der Hand, und schuld daran war natürlich Iwan. Er empfand jedoch nicht das Verlangen, dies zuzugeben, er rief nur vorwurfsvoll: "Ach, ist die verdorben!" und befand sich plötzlich in der Küche. Hier war niemand. Auf der Herdplatte stand im Halbdunkel schweigend ein Dutzend erloschener Primuskocher. Ein Mondstrahl, der durch das staubige, seit Jahren nicht geputzte Fenster drang, warf spärliches Licht in die Winkel, wo in Staub und Spinnengeweben eine vergessene Ikone hing, hinter deren Schrein die Spitzen von zwei Hochzeitskerzen hervorlugten. Unter der großen Ikone war noch eine kleine aüs Papier angepinnt.
    Niemand weiß, was Iwan sich dabei dachte, als er, bevor er wieder in den dunklen Flur lief, sich eine der beiden Kerzen und die Papierikone aneignete. Mit diesen Gegenständen verließ er die unbekannte Wohnung, murmelte etwas, verwirrt von seinem Erlebnis im Badezimmer, und versuchte unwillkürlich zu erraten, wer dieser freche Kirjuschka sein mochte und ob ihm die schauderhafte Mütze mit den Ohrenklappen gehörte. In der leeren, trostlosen Gasse blickte sich der Lyriker suchend nach dem Flüchtling um, aber der war nirgends zu sehen. Da sagte Iwan mit fester Stimme zu sich selbst: "Aber natürlich, er ist an der Moskwa! Vorwärts!" Man hätte ihn fragen können, wie er daraufkam, daß der Professor ausgerechnet an der Moskwa sei und nicht irgendwo anders. Leider war niemand da, der diese Frage hätte stellen können. Die scheußliche Gasse war völlig leer.
    Ganz kurze Zeit später sah man Iwan Nikolajewitsch auf den Granitstufen des Moskwa-Ufers.
    Nachdem er seine Kleider abgelegt hatte, vertraute er sie einem sympathischen Bartträger an, der neben einer zerlumpten weißlichen Russenbluse und aufgeschnürten zerlatschten Schuhen saß und eine Selbstgedrehte rauchte. Iwan wedelte mit den Armen, um sich abzukühlen, und warf sich dann im Schwalben-sprung ins Wasser. Es war so kalt, daß ihm der Atem stockte, und ihn durchzuckte sogar der Gedanke, er werde möglicherweise nicht wieder an die Oberfläche kommen. Doch diese Befürchtung war grundlos, und Iwan schwamm prustend und fauchend, mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen durch das nach Ol riechende schwarze Wasser zwischen den gebrochenen Zickzacklinien der Uferlampen.
    Als er pitschnaß über die Stufen zu der Stelle turnte, wo er seine Sachen unter der Obhut des Bartträgers zurückgelassen hatte, stellte sich heraus, daß nicht nur die Sachen, sondern auch der Bartträger entwendet waren. An der Stelle, wo der Kleiderhaufen gelegen hatte, fand Iwan gestreifte Unterhosen, die zerlumpte Russenbluse, die Kerze, die Papierikone und eine Streichholzschachtel. In ohnmächtiger Wut drohte er mit der Faust in die Ferne, dann bekleidete er sich mit dem, was ihm zurückgelassen worden war.
    Zwei Überlegungen beunruhigten ihn: erstens, daß sein Mitgliedsbuch der Massolit verschwunden war, von dem er sich nie zu trennen pflegte, und zweitens, ob es ihm gelingen würde, in diesem Aufzug unbeschadet durch Moskau zu laufen. Es waren immerhin Unterhosen ... Freilich, wen hatte das zu kümmern, aber es konnte immerhin passieren, daß er angepöbelt oder aufgehalten wurde.
    Iwan riß oberhalb der Knöchel die Knöpfe ab, denn er hoffte, daß das Beinkleid so zur Not für eine Sommerhose gelten mochte, dann nahm er Ikone, Kerze und Streichholzschachtel an sich, setzte sich in Bewegung und sprach zu sich selber: "Zum

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