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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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sofort, daß es sehr schwer sein würde, sie einzuholen. Das Dreigespann hatte im Nu die Gasse durchquert und war bereits in der Spiridonowka. Sosehr Besdomny auch den Schritt beschleunigte, der Abstand zwischen ihm und den Verfolgten wurde nicht kleiner. Noch war der Lyriker nicht recht zu sich gekommen, da lag auch schon die stille Spiridonowka hinter ihm, und er befand sich am Nikitskije-Tor, wo sich seine Lage bedeutend verschlechterte, denn hier gab es Gedränge, er rannte Passanten an, wurde beschimpft. Obendrein wendete das Gaunertrio einen beliebten Banditentrick an und trennte sich.
    Der Kantor sprang mit großer Geschicklichkeit auf einen fahrenden Autobus, der zum Arbat-Platz sauste, und entkam. Nachdem Besdomny so den einen verloren hatte, konzentrierte er sich auf den seltsamen Kater. Dieser erstieg das Trittbrett eines Triebwagens der Linie A an der Haltestelle, schob frech eine aufquietschende Frau weg, hielt sich an der Griffstange fest und versuchte sogar, der Schaffnerin durch das wegen der drückenden Hitze offenstehende Fenster zehn Kopeken zuzustecken. Das Verhalten des Katers verdatterte Besdomny so sehr, daß er starr neben einem Lebensmittelgeschäft an der Ecke stehenblieb, wo er abermals, doch weit mehr noch, verdattert wurde durch das Verhalten der Schaffnerin. Diese hatte nämlich kaum den einsteigenden Kater entdeckt, als sie geradezu wutzitternd loszeterte:
    "Kater dürfen nicht mitfahren! Sie haben keinen Zutritt! Husch! Steig ab, sonst ruf ich die Miliz!"
    Weder die Schaffnerin noch die Fahrgäste waren vom Wesentlichen befremdet: Daß ein Kater die Straßenbahn bestieg, war ja halb so schlimm, aber daß er selbst bezahlen wollte! Der Kater indes war nicht nur zahlungsfähig, sondern auch diszipliniert. Beim ersten Schrei der Schaffnerin stellte er den Angriff ein, stieg vom Trittbrett, hockte sich an der Haltestelle hin und strich mit dem Zehnkopekenstück den Schnurrbart. Kaum aber hatte die Schaffnerin die Leine gezogen und die Straßenbahn sich in Bewegung gesetzt, da tat der Kater das, was jeder tut, der aus der Straßenbahn gejagt wird und doch mitfahren muß. Er ließ die beiden Anhänger an sich vorbeirollen, sprang hinten auf, krallte sich mit der Pfote an einen Schlauch fest, der aus der Rückwand kam, und fuhr, den Zehner sparend, davon. Besdomny, dessen Aufmerksamkeit von dem garstigen Kater gefesselt war, hätte beinahe den wichtigsten der drei, den Professor, aus den Augen verloren. Zum Glück war dieser noch nicht entwischt. Der Lyriker erblickte die graue Baskenmütze mitten im Gewühl am Anfang der Großen Nikitskaja oder Herzenstraße. Im Nu war er ebenfalls dort. Doch er hatte keinen Erfolg. Obwohl er den Schritt beschleunigte und in schlankem Trab die Passanten anrempelte, kam er dem Professor keinen Zentimeter näher.
    Trotz seiner Verärgerung staunte Besdomny über die unnatürliche Schnelligkeit, mit der die Verfolgung vonstatten ging. Seit dem Nikitskije-Tor waren noch keine zwanzig Sekunden vergangen, da blendeten ihn schon die Lichter des Arbat-Platzes. Noch ein paar Sekunden, und er befand sich in einer dunklen Gasse mit schiefen Gehsteigen, wo er hinknallte und sich das Knie aufschlug. Wieder eine hellbeleuchtete Magistrale, die Kropotkin-Straße, dann eine Gasse, die Ostoshenka und noch eine Gasse, erbärmlich, häßlich und spärlich beleuchtet. Hier verlor Iwan Besdomny endgültig den Mann, den er unbedingt einholen wollte. Der Professor war verschwunden. Iwans Verwirrung hielt nicht lange vor, denn er bildete sich plötzlich ein, er würde den Professor ganz sicher im Haus Nr. 13 in der Wohnung 47 finden.
    Iwan stürmte in den Torweg, sauste die Treppe zum ersten Stock hinauf, fand dort besagte Wohnung und läutete Sturm. Er brauchte nicht lange zu warten. Ein kleines Mädchen von vielleicht fünf Jahren öffnete ihm und entfernte sich sofort, ohne ihm Fragen zu stellen.
    In dem riesigen, unbeschreiblich verwahrlosten Flur, den ein winziges Ecklämpchen unter der hohen, schmutzstarrenden Decke schwach beleuchtete, hing ein Fahrrad ohne Bereifung an der Wand, außerdem stand da eine mächtige eisenbeschlagene Truhe, und auf der Ablage über den Garderobenhaken lag eine Wintermütze, deren lange Ohrenklappen herabbaumelten. Hinter einer Tür sagte im Radio eine hallende Männerstimme verdrossen Gedichte auf.
    Iwan Besdomny, nicht im geringsten verschüchtert von der fremden Umgebung, strebte in den Flur hinein und dachte: Er hat sich natürlich im

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