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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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das?" Iwan machte ein bedeutendes Gesicht und erhoffte sich von seinen Worten große Wirkung. Allein, die Wirkung blieb aus, Strawinski stellte einfach die nächste Frage: "Wer ist Annuschka?"
    Diese Frage irritierte Iwan ein wenig, und er verzog das Gesicht. "Annuschka ist unwichtig", sagte er nervös. "Weiß der Teufel, wer sie ist. Eine dumme Gans aus der Sadowaja. Wichtig ist, daß er vorher, verstehen Sie, vorher von dem Sonnenblumenöl gewußt hat! Verstehen Sie mich?"
    "Ich verstehe Sie sehr gut", antwortete Strawinski ernst, berührte den Poeten am Knie und fügte hinzu: "Bleiben Sie ruhig und fahren Sie fort."
    "Das tue ich", sagte Iwan, bemüht, sich Strawinskis Ton anzupassen, denn er wußte schon aus bitterer Erfahrung, daß nur Ruhe ihm helfen konnte, "also dieser furchtbare Kerl (daß er Konsultant ist, war bestimmt gelogen) verfügt über geheimnisvolle Kräfte! Man läuft ihm zum Beispiel hinterher und kann ihn nicht einholen . .. Außerdem hat er so ein sauberes Pärchen bei sich: einen langen Kerl mit gesprungenem Zwicker und einen unverschämt großen Kater, der selbständig mit der Straßenbahn fährt." Iwan, den niemand unterbrach, sprach immer hitziger und überzeugender. "Er war persönlich auf dem Balkon bei Pontius Pilatus, daran gibt es keinen Zweifel. Das ist ein Ding, was? Man muß ihn sofort festnehmen, sonst richtet er unbeschreibliches Unheil an."
    "Sie wollen also, daß er festgenommen wird? Habe ich Sie richtig verstanden?" fragte Strawinski.
    Er ist klug, dachte Iwan, man muß zugeben, daß es unter den Intelligenzlern gelegentlich auch sehr kluge Köpfe gibt. Unbestreitbar.
    "Vollkommen richtig!" antwortete er. "Wie sollte ich es nicht wollen, überlegen Sie doch selber! Statt dessen werde ich hier mit Gewalt festgehalten, man stößt mir eine Lampe in die Augen, badet mich in der Wanne, fragt mich nach Onkel Fjodor aus! Dabei ist der schon lange tot! Ich verlange, daß man mich sofort freiläßt!"
    "Na prachtvoll, prachtvoll!" entgegnete Strawinski. "Nun hat sich ja alles aufgeklärt. Wirklich, was hat es für einen Sinn, einen gesunden Menschen in der Klinik festzuhalten? Nun gut denn, ich lasse Sie sofort frei, wenn Sie mir sagen, daß Sie normal sind. Sie brauchen es mir nicht zu beweisen, sondern nur zu sagen. Also, sind Sie normal?"
    Völlige Stille trat ein; die dicke Frau, die Iwan am Morgen versorgt hatte, blickte den Professor andächtig an. Iwan dachte nochmals: Er ist ausgesprochen klug!
    Die Worte des Professors waren ganz nach seinem Sinn, doch bevor er antwortete, dachte er mit gekrauster Stirn sehr gründlich nach. Endlich sagte er fest: "Ich bin normal."
    "Na prachtvoll", rief Strawinski erleichtert, "wenn's so ist, wollen wir doch mal logisch überlegen. Nehmen wir Ihren gestrigen Tag." Er drehte sich um, und man reichte ihm sofort Iwans Krankenblatt. "Auf der Suche nach einem unbekannten Mann, der sich Ihnen als Bekannter von Pontius Pilatus vorstellte, haben Sie folgendes getan." Strawinski bog die langen Finger ein, während er bald auf das Blatt, bald auf Iwan blickte. "Sie haben sich eine Ikone an die Brust geheftet.. Stimmt's?" "Stimmt", bestätigte Iwan düster.
    "Sie sind über einen Zaun geklettert und haben sich das Gesicht verletzt. Ist es so? Sie sind ins Restaurant gegangen, eine brennende Kerze in der Hand, nur mit Unterwäsche bekleidet, und haben im Restaurant jemand geschlagen. Man hat Sie gefesselt hierhergebracht. Von hier aus haben Sie die Miliz angerufen und gebeten, Maschinengewehre zu schicken. Dann haben Sie versucht, sich aus dem Fenster zu stürzen. Stimmt's? Nun fragt sich: Konnten Sie, wenn Sie so handelten, jemand fangen oder festnehmen? Wenn Sie normal sind, werden Sie mir antworten: Nein, so nicht. Sie wollen jetzt von hier weg? Bitte sehr. Aber erlauben Sie mir die Frage: Wo werden Sie hingehen?" "Zur Miliz doch", antwortete Iwan kleinlaut und etwas konfus unter dem Blick des Professors. "Gleich von hier aus?" ,Ja doch."
    "Zu sich nach Hause wollen Sie vorher nicht?" fragte Strawinski rasch.
    "Dazu hab ich gar keine Zeit! Wenn ich erst in die Wohnung fahre, entwischt er doch!"
    "So. Und was werden Sie bei der Miliz erzählen?"
    "Von Pontius Pilatus", antwortete Iwan, und über seine Augen zog sich ein düsterer Schleier.
    "Na prachtvoll!" rief Strawinski überzeugt, wandte sich zu dem Mann mit dem Bärtchen und befahl: "Fjodor Wassiljewitsch, entlassen Sie bitte den Bürger Besdomny in die Stadt. Sein Zimmer aber wird nicht

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