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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Rimski.
    Abermals ging die Tür auf, und die Telegrammbotin trat ein. Schon wieder! dachte Rimski traurig. Beide erhoben sich. Diesmal lautete das Telegramm:
    "Dank für Bestätigung bitte telegrafisch fünfhundert Rubel an Kriminalmiliz eintreffe morgen Moskau Flugzeug. Lichodejew." "Er ist übergeschnappt", sagte Warenucha schwach. Rimski klirrte mit dem Schlüssel, entnahm dem Panzerschrank Geld, zählte fünfhundert Rubel ab, klingelte, gab der Botin das Geld und schickte sie zum Telegrafenamt.
    "Erbarm dich, Grigori Danilowitsch", murmelte Warenucha, der seinen Augen nicht traute, "das hat bestimmt keinen Zweck." "Dann kommt's zurück", antwortete Rimski leise, "aber er wird sich für diesen Ausflug zu verantworten haben." Auf Warenu-chas Aktentasche zeigend, fügte er hinzu: "Fahr los, Iwan Sawel-jewitsch, und trödle nicht." Warenucha schoß mit der Aktentasche hinaus. Er stieg hinunter ins Erdgeschoß, sah die endlose Schlange vor der Kasse und erfuhr von der Kassiererin, daß sie in etwa einer Stunde ausverkauft sein werde, weil das Publikum nur so herbeiströme, seit die Ergänzungsplakate aushingen. Er befahl ihr, die dreißig besten Logen- und Parkettplätze zurückzuhalten und nicht zu verkaufen, dann verließ er eilends die Kasse, entkam im Laufschritt den aufdringlichen Freikartenjägern und schlüpfte in sein Zimmer, um seine Mütze zu holen. In diesem Moment rasselte das Telefon. "Hallo!" schrie Warenucha.
    "Iwan Saweljewitsch?" fragte der Hörer mit scheußlicher Näselstimme.
    Ist nicht im Theater! wollte Warenucha rufen, doch der Hörer unterbrach ihn sofort: "Spielen Sie nicht den Dummkopf, Iwan Saweljewitsch, und hören Sie zu. Sie werden die Telegramme nirgendwo hinbringen und keinem zeigen." "Wer spricht da?" brüllte Warenucha. "Lassen Sie diese Scherze, Bürger! Man wird Sie sofort feststellen! Wie ist Ihre Nummer?" "Warenucha", antwortete die widerliche Stimme. "Verstehst du Russisch? Du wirst die Telegramme nirgendwo hinbringen." "So, Sie geben also keine Ruhe?" schrie der Administrator erbittert. "Passen Sie auf! Sie werden's büßen!" Er schrie noch weitere Drohungen in die Muschel, doch dann verstummte er, denn er spürte, daß ihm niemand mehr zuhörte.
    In dem kleinen Arbeitszimmer wurde es auffallend schnell dunkel. Warenucha lief hinaus, warf die Tür zu und eilte durch einen Seitengang in den Sommergarten.
    Er war erregt und energiegeladen. Nach dem unverschämten Anruf zweifelte er nicht mehr, daß eine Rowdybande häßliche Streiche trieb und diese mit Lichodejews Verschwinden zu tun hatten. Der Wunsch, die Übeltäter zu ermitteln, würgte den Administrator und gab ihm — seltsam — den Vorgeschmack von etwas Angenehmem. So pflegt ein Mensch zu empfinden, der danach giert, Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu werden und eine sensationelle Nachricht zu verbreiten. Im Garten blies der Wind dem Administrator Sand ins Gesicht, als wollte er ihn warnen, ihm den Weg versperren. Im ersten Stock knallte ein Fenster zu, so daß fast die Scheiben herausfielen, durch die Wipfel der Linden und Ahorne ging ein bedrohliches Rauschen. Es wurde dunkel und kühl. Warenucha rieb sich die Augen und sah, daß eine gelbbäuchige Gewitterwolke niedrig über Moskau hinkroch. In der Ferne grummelte es.
    Sosehr Warenucha eilte, es drängte ihn, für einen Moment die Sommertoilette aufzusuchen, um im Vorbeigehen nachzuschauen, ob der Elektriker die Birne vergittert hatte. Warenucha lief an der Schießbude vorbei und betrat das dichte Fliedergesträuch, welches das blaugestrichene Toilettenhäuschen umstand. Der Elektriker war ein zuverlässiger Mann, die Birne an der Decke der Herrentoilette war mit einem Metallgitter geschützt, doch eines betrübte den Administrator: selbst im Gewitterdunkel war zu erkennen, daß die Wände schon wieder mit Kohle und Bleistift vollgekritzelt waren. "Was ist denn das für eine ...", wollte er loswettern, da hörte er plötzlich hinter sich eine miauende Stimme: "Sind Sie das, Iwan Saweljewitsch?"
    Warenucha fuhr herum und erblickte einen mittelgroßen Dickwanst, der ein Katzengesicht zu haben schien. ,Ja, ich bin's", antwortete er feindselig.
    "Sehr, sehr angenehm", antwortete der katerartige Dickwanst piepsend, holte plötzlich aus und versetzte Warenucha eine Ohrfeige, daß diesem die Mütze vom Kopf flog und spurlos in der Klosettöffnung verschwand.
    Der Schlag des Dickwanstes löste am Himmel einen Donnerknall und einen sekundenlang zuckenden Lichtstrahl aus, der

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