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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Restaurant?"
    "Aber, aber, aber!" sagte plötzlich der frühere Iwan streng zum jetzigen Iwan, und es blieb ungewiß, ob er von innen zu ihm sprach oder ihm von außen ins Ohr flüsterte. "Er hat immerhin vorher gewußt, daß Berlioz der Kopf vom Rumpf getrennt würde! Wie soll man sich da nicht aufregen?" "Worum, Genossen, geht's denn eigentlich?" widersprach der neue Iwan dem fadenscheinigen früheren Iwan. "Daß hier was nicht mit rechten Dingen zugeht, kapiert doch ein Kind. Er ist eine nicht alltägliche und im höchsten Grade geheimnisvolle Persönlichkeit! Aber das ist doch gerade das Interessante! Der Mann hat Pontius Pilatus persönlich gekannt, was wollen Sie noch? Statt an den Patriarchenteichen so blöde Krach zu schlagen, wäre es da nicht viel klüger gewesen, ihn höflich zu fragen, was weiter mit Pilatus und dem verhafteten Ha-Nozri passierte? Und ich hab mich weiß der Teufel womit beschäftigt! Auch ein Ereignis, der Tod eines Chefredakteurs unter der Straßenbahn. Geht etwa die Zeitschrift deswegen ein? Was soll's? Der Mensch ist sterblich, und wie ganz richtig gesagt wurde, stirbt er manchmal sehr plötzlich. Na, Friede seiner Asche! Sie werden einen anderen Chefredakteur einsetzen, und der wird vielleicht noch redegewandter sein als der bisherige!"
    Nachdem der neue Iwan ein Weilchen gedöst hatte, fragte er den alten lauernd:
    "Wie also habe ich mich bei der ganzen Sache benommen?"
    "Wie ein Idiot!" sagte deutlich eine Baßstimme, die keinem der beiden Iwane gehörte und dem Baß des Konsultanten äußerst ähnlich klang.
    Iwan, den das Wort "Idiot" keineswegs kränkte, sondern sogar angenehm verwunderte, schmunzelte und sank in Halbschlaf. Der Schlaf schlich zu ihm, schon gaukelte vor ihm eine Palme mit Elefantenbein, und der Kater wandelte vorüber, nicht angsterregend, sondern vergnügt, kurz und gut, im nächsten Moment wäre Iwan fest eingeschlafen, wenn nicht plötzlich lautlos das Gitter zur Seite geglitten und auf dem Balkon eine geheimnisvolle Gestalt erschienen wäre, die das Mondlicht mied und Iwan mit dem Finger drohte.
    Ohne im geringsten erschrocken zu sein, setzte sich Iwan im Bett auf und sah einen Mann auf dem Balkon stehen. Dieser Mann legte den Finger an die Lippen und zischte: "Pssst!"
12 Die Schwarze Magie und ihre Entlarvung
    Ein kleiner Mann mit löchriger gelber Melone und himbeerroter Birnennase, mit karierten Hosen und Lackschuhen kam mit einem gewöhnlichen Zweirad auf die Varietebühne geradelt. Zu den Klängen eines Foxtrotts beschrieb er einen Kreis und stieß dann ein Siegesgeheul aus, von dem sich das Veloziped aufbäumte. Nur auf dem Hinterrad fahrend, ließ er die Füße oben kreisen und brachte es dabei fertig, das Vorderrad abzuschrauben und in die Kulissen zu trudeln, dann setzte er seine Fahrt auf dem Hinterrad fort und kurbelte die Pedale mit den Händen. Auf einem hohen Metallmast, oben ein Sattel und unten ein kleines Rad, rollte eine üppige Blondine in Trikot und einem Röckchen, das mit Silbersternen besetzt war, auf die Bühne und fuhr im Kreise. Jedesmal, wenn der Mann ihr begegnete, stieß er Begrüßungsrufe aus und nahm mit den Füßen die Melone ab. Zu guter Letzt rollte ein etwa achtjähriger Bengel mit Greisengesicht herein und flitzte auf einem winzigen Zweirad, an dem eine gewaltige Autohupe befestigt war, zwischen den Erwachsenen einher.
    Nachdem die Gesellschaft ein paar Achten gefahren hatte, rollte sie unter Trommelwirbel des Orchesters bis unmittelbar zur Rampe, so daß die Zuschauer in den ersten Reihen mit Schrek-kensrufen zurückprallten, weil sie glaubten, die drei würden samt ihren Rädern ins Orchester stürzen.
    Aber die Fahrräder blieben genau in dem Moment stehen, als sie schon abzurutschen und auf die Köpfe der Musiker zu fallen drohten. Mit dem lauten Ruf "Ab!" sprangen die Artisten von den Velozipeden und verbeugten sich, wobei die Blondine dem Publikum Kußhände zuwarf und der Bengel seiner Hupe einen komischen Ton entlockte.
    Beifall erschütterte das Gebäude, der blaue Vorhang schloß sich von rechts und links her und verbarg die Kunstradier, die grünen Lichter mit der Schrift,Ausgang" an den Türen erloschen, und im Geschnür der Trapeze unter der Kuppel flammten sonnengleich die weißen Lampenglocken auf. Es war die Pause vor der letzten Abteilung.
    Der einzige, den die Radfahrkünste der Familie Giulli überhaupt nicht interessierten, war Grigori Danilowitsch Rimski. Völlig einsam saß er in seinem Zimmer und

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