Der Meister und Margarita
Sie nicht auf ihn", sagte der Conferencier mild, "er wird bereuen."
Er richtete die tränenden blauen Augen auf Nikanor Iwanowitsch und fügte hinzu: "Kehren Sie auf Ihren Platz zurück, Nikanor Iwanowitsch."
Sodann läutete der Schauspieler das Glöckchen und verkündete laut:
"Pause, ihr Taugenichtse!"
Der erschütterte Nikanor Iwanowitsch, unversehens zum Mitwirkenden eines Theaterprogramms geworden, fand sich auf seinem Platz am Fußboden wieder. Nun träumte ihm, daß der Saal in völlige Dunkelheit sank und an den Wänden vielfach die rote Schrift aufleuchtete: "Geben Sie Devisen ab!" Dann ging erneut der Vorhang auf, und der Conferencier sagte einladend: "Ich bitte jetzt Sergej Gerardowitsch Duntschil auf die Bühne."
Duntschil war ein würdevoller, aber verwahrloster Mann von etwa fünfzig Jahren.
"Sergej Gerardowitsch", sprach ihn der Conferencier an, "Sie sitzen nun schon anderthalb Monate hier und weigern sich stur, die bei Ihnen vorhandenen Devisen abzuliefern, die das Land so dringend braucht und die für Sie völlig wertlos sind. Dennoch bleiben Sie starrköpfig. Sie sind ein intelligenter Mensch, begreifen das wohl und wollen mir dennoch nicht entgegenkommen."
"Ich kann leider nichts machen, denn ich besitze keine Devisen mehr", antwortete Duntschil ruhig.
"Besitzen Sie denn nicht wenigstens noch Brillanten?" fragte der Schauspieler. "Auch nicht."
Der Schauspieler ließ den Kopf hängen und dachte nach, dann klatschte er in die Hände. Aus den Kulissen trat eine Dame mittleren Alters, modern gekleidet, das heißt, sie trug einen Mantel ohne Kragen und ein winziges Hütchen. Sie wirkte unruhig. Duntschil blickte sie an und verzog keine Miene. "Wer ist diese Dame?" fragte ihn der Conferencier. "Das ist meine Frau", antwortete Duntschil würdevoll und blickte angewidert auf den langen Hals der Dame. "Wir haben Sie aus folgendem Grunde behelligt, Madame Duntschil", sprach der Conferencier die Dame an, "wir wollten Sie fragen, ob Ihr Gatte noch Devisen besitzt." "Er hat seinerzeit alles abgeliefert", antwortete Madame Duntschil nervös.
"So", sagte der Schauspieler, "nun, wenn's so ist, dann ist's eben so. Wenn er alles abgeliefert hat, müssen wir uns ungesäumt von Sergej Gerardowitsch trennen, da kann man nichts machen! Wenn Sie wollen, können Sie das Theater verlassen, Sergej Gerardowitsch." Der Schauspieler vollführte eine majestätische Geste.
Duntschil wandte sich ruhig und würdevoll den Kulissen zu. "Einen Moment noch", bremste ihn der Conferencier, "gestatten Sie mir, Ihnen zum Abschied noch eine Nummer unseres Programms zu zeigen." Wieder klatschte er in die Hände. Der hintere schwarze Vorhang ging auf, und es erschien eine schöne junge Frau im Ballkleid, in den Händen ein goldenes Tablett, auf dem ein mit Konfektband umwickeltes dickes Päckchen und ein Brillantkollier lagen, das blaue, gelbe und rote Blitze versprühte:
Duntschil wich einen Schritt zurück, sein Gesicht überzog sich mit Blässe. Der Saal erstarb.
"Achtzehntausend Dollar und ein Kollier im Wert von vierzigtausend Goldrubelh", verkündete der Schauspieler feierlich, "das hat Sergej Gerardowitsch in der Stadt Charkow aufbewahrt, in der Wohnung seiner Geliebten Ida Herkulanowna Wors, die zu sehen wir hier das Vergnügen haben und die so liebenswürdig war, uns bei der Entdeckung dieser unschätzbaren, aber in den Händen einer Privatperson wertlosen Kostbarkeiten zu helfen. Vielen Dank, Ida Herkulanowna." Die Schöne lächelte, ihre Zähne blitzten, ihre langen Wimpern zuckten.
"Unter Ihrer würdevollen Maske aber", wandte sich der Schauspieler an Duntschil, "verbirgt sich eine gierige Spinne, ein Heuchler und Lügner. Sie haben uns hier anderthalb Monate lang mit Ihrer stumpfsinnigen Bockbeinigkeit an der Nase herumgeführt. Scheren Sie sich jetzt nach Hause, und möge die Hölle, die Ihre Gattin Ihnen bereiten wird, Ihre Strafe sein." Duntschil wankte und wäre wohl gefallen, doch teilnahmsvolle Hände stützten ihn. Da schloß sich der vordere Vorhang und verbarg die Bühne.
Rasender Beifall erschütterte den Saal so heftig, daß Nikanor Iwanowitsch das Gefühl hatte, die Lüster sprühten Funken. Als der Vorhang wieder aufging, war niemand mehr auf der Bühne außer dem Schauspieler. Er löste eine zweite Applaussalve aus, verbeugte sich und sprach:
"In der Person dieses Duntschil ist ein typischer Esel in unserem Programm aufgetreten. Dabei hatte ich erst gestern das Vergnügen, zu sagen, daß die geheime
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