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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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wieso zum Kuckuck soll ich Vorsitzender sein?" "Was heißt das?" fragte man ihn stirnrunzelnd. "Das heißt", antwortete er, "wenn ich Vorsitzender wäre, hätte ich sofort merken müssen, daß er der Satan ist! Schon wie er aussieht! Der Zwicker gesprungen, er selber zerlumpt, wie kann er da Dolmetscher bei einem Ausländer sein?" "Von wem sprechen Sie?" fragte man ihn. "Von Korowjew!" schrie Nikanor Iwanowitsch. "In der Wohnung Nr. 50 hat er sich eingenistet! Schreiben Sie — Korowjew! Man muß ihn sofort festnehmen. Schreiben Sie — sechster Aufgang. Da ist er."
    "Wo hast du die Devisen her?" fragte man ihn herzlich. "Gott ist wahrhaftig, Gott ist allmächtig", sprach Nikanor Iwanowitsch, "er sieht alles, und ich hab's nicht besser verdient. Ich habe nie Devisen in der Hand gehabt und weiß gar nicht, wie so was aussieht! Gott der Herr straft mich für meine Missetaten", fuhr er gefühlvoll fort, wobei er das Hemd bald zuknöpfte, bald aufknöpfte, bald sich bekreuzigte, ,ja, ich hab mich schmieren lassen, aber doch nur mit unserm sowjetischen Geld! Manchmal hab ich für Geld wen im Haus eingetragen, das bestreite ich nicht. Unser Sekretär Proleshnew ist auch gut, das kann ich Ihnen flüstern! Eigentlich besteht die ganze Hausverwaltung aus lauter Halunken. Aber Devisen hab ich nie genommen!" Auf die Bitte, sich nicht dumm zu stellen, sondern zu erzählen, wie die Dollars in den Lüftungsschacht gekommen seien, fiel Nikanor Iwanowitsch auf die Knie, wiegte sich hin und her und öffnete den Mund, als wolle er. Parkettäfelchen verspeisen. "Was soll ich denn machen", blökte er, "soll ich Erde fressen, damit Sie mir glauben? Korowjew ist wirklich der Teufel!"
    Jede Geduld hat ihre Grenze, und hinterm Schreibtisch erhob man bereits die Stimmen und bedeutete Nikanor Iwanowitsch, endlich vernünftig zu werden.
    In diesem Moment sprang Nikanor Iwanowitsch von den Knien hoch, und sein wildes Gebrüll erschütterte das Zimmer mit dem Sofa:
    "Da ist er! Da, hinterm Schrank! Jetzt grinst er! Sein Zwicker ... Haltet ihn! Besprengt den Raum mit Weihwasser!" Alles Blut war ihm aus dem Gesicht gewichen. Zitternd schlug er Kreuze in der Luft, taumelte zur Tür und zurück, stimmte ein Gebet an und quasselte schließlich kompletten Blödsinn daher. Es war nun klar, daß er sich für keinerlei Gespräche eignete. Man führte ihn ab und sperrte ihn in eine Einzelzelle, wo er sich ein wenig beruhigte und nur noch betete und schniefte. Natürlich fuhr man zur Sadowaja und suchte die Wohnung Nr. 50 auf. Aber man fand dort keinen Korowjew, und auch im Hause wußte niemand von einem Korowjew. Die Wohnung, die dem verstorbenen Berlioz und dem nach Jalta gereisten Lichodejew gehörte, war leer, und im Arbeitszimmer hingen die Lacksiegel unberührt an den Schränken. Mit diesem Ergebnis verließ man die Sadowaja und nahm den verwirrten und niedergeschlagenen Sekretär der Hausverwaltung Proleshnew gleich mit.
    Am Abend wurde Nikanor Iwanowitsch in Strawinskis Klinik eingeliefert. Hier verhielt er sich so unruhig, daß man ihm eine Injektion a la Strawinski gab, und erst nach Mitternacht schlief Nikanor Iwanowitsch im Zimmer 119 ein, stieß jedoch immer wieder ein schweres, leidvolles Röhren aus. Aber je länger er schlief, desto leichter wurde sein Schlaf. Er hörte auf zu stöhnen und sich zu wälzen, atmete leicht und gleichmäßig, und man ließ ihn allein.
    Da suchte ihn ein Traum heim, dem zweifellos die heutigen Erlebnisse zugrunde lagen.
    Es begann damit, daß er das Gefühl hatte, ein paar Männer mit goldenen Trompeten in den Händen geleiteten ihn sehr feierlich zu einer großen lackierten Tür. Vor dieser Tür bliesen sie ihm einen Tusch, dann sagte ein hallender Baß fröhlich vom Himmel herab: "Herzlich willkommen, Nikanor Iwanowitsch, geben Sie die Devisen ab!"
    Nikanor Iwanowitsch, höchlich verwundert, gewahrte über sich einen schwarzen Lautsprecher.
    Dann befand er sich plötzlich in einem Theatersaal. Unter der vergoldeten Decke strahlten Kristallüster, an den Wänden Quinquets. Alles war, wie es sich gehört in einem kleinen, aber reich ausgestatteten Theater. Es gab eine Bühne, deren zugezogener dunkelroter Samtvorhang mit Darstellungen vergrößerter, vergoldeter Zehnrubelstücke gestirnt war, einen Souffleurkasten und sogar ein Publikum.
    Nikanor Iwanowitsch wunderte sich, daß das Publikum nur aus bärtigen Männern bestand. Außerdem verblüffte ihn, daß es im Theatersaal keine Stühle gab und das Publikum

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