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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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verblüffte Buchhalter stand geraume Zeit wie eine Salzsäule da und grübelte, was das bedeuten mochte.
    Bald danach rollte ein freier Wagen heran, und das Gesicht des Fahrers verzerrte sich, als er des Wartenden ansichtig wurde.
    "Sind Sie frei?" fragte Wassili Stepanowitsch und räusperte sich verwundert.
    "Zeigen Sie erst mal Ihr Geld", antwortete der Fahrer böse und würdigte den Buchhalter keines Blicks.
    Der Buchhalter, immer mehr verwundert, klemmte die kostbare Aktentasche unter den Arm, entnahm der Brieftasche einen Zehnrubelschein und wies ihn dem Schofför. "Ich fahr nicht!" sagte der kurz.
    "Moment mal...", begann der Buchhalter, doch der Fahrer unterbrach ihn:
    "Haben Sie keine Dreirubelscheine?"
    Wie vor den Kopf geschlagen, zog Wassili Stepanowitsch zwei Dreirubelscheine aus der Brieftasche und wies sie vor. "Steigen Sie ein!" schrie der Fahrer und schlug so heftig gegen die Fähnchen des Taxameters, daß es beinahe abbrach. "Was ist denn, haben Sie kein Wechselgeld?" fragte der Buchhalter schüchtern.
    "Die ganze Tasche voll!" brüllte der Fahrer, und Wassili Stepanowitsch sah im Rückspiegel dessen blutunterlaufene Augen. "Schon dreimal bin ich heut reingefallen. Auch meinen Kollegen ist es schon passiert. Gibt mir doch irgend so ein Strolch einen Zehner, ich ihm vier fünfzig raus. Steigt aus und ist weg, der Schweinehund! Nach fünf Minuten seh ich nach: statt des Zehners find ich in der Tasche den Aufkleber von 'ner Narsan-flasche!" Der Schofför fügte ein paar nicht druckfähige Wörter hinzu. "Der nächste will zum Subowski-Boulevard. Ein Zehner. Ich geb ihm drei Rubel raus. Er geht weg. Ich faß in die Ta-sehe, und statt des Zehners sitzt 'ne Biene drin und pikt mich in den Finger! Geht mir los!" Wieder hängte der Schofför ein paar nicht druckfähige Wörter an. "Gestern hat im Variete (nicht druckfähige Wörter) so ein Dreckskerl von ZaÜberkünstler einen Trick mit Zehnrubelscheinen vorgeführt (nicht druckfahige Wörter).. ."
    Der Buchhalter saß wie betäubt, duckte sich und machte ein Gesicht, als höre er das Wort "Variete" zum erstenmal, dabei dachte er: Ach du Donner!
    Bei seinem Ziel angelangt, zahlte der Buchhalter zur Zufriedenheit, betrat das Gebäude und eilte durch den Korridor zum Zimmer des Leiters. Doch schon unterwegs merkte er, daß er ungelegen kam. Im Büro der Kommission für Schauspiele herrschte ein Durcheinander wie in einem aufgestörten Bienenschwarm. An ihm vorüber eilte eine Botin mit nach hinten gerutschtem Kopftuch und weit aufgerissenen Augen.
    "Er ist weg, er ist weg! Er ist weg, liebe Leute!" kreischte sie ins Leere. "Sein Jackett und die Hosen sind da, aber im Jackett ist nichts drin!"
    Sie verschwand hinter einer Tür, und man hörte von dort das Scheppern zerschlagenen Geschirrs. Aus dem Vorzimmer kam der dem Buchhalter wohlbekannte Leiter der ersten Abteilung der Kommission, aber in einer Verfassung, daß er den Buchhalter nicht erkannte, und auch er verschwand. Der erschütterte Buchhalter betrat das Vorzimmer des Leiters, und hier haute es ihn endgültig um.
    Aus der offenen Tür des Chefzimmers kam drohend eine Stimme, die unzweifelhaft Prochor Petrowitsch, dem Vorsitzenden der Kommission, gehörte. Er scheint wem eine Abreibung zu verpassen, dachte der Buchhalter bestürzt, drehte sich um und erblickte etwas anderes: Im Ledersessel lehnte mit zurückgelegtem Kopf, unaufhaltsam schluchzend, ein nasses Taschentuch in der Hand, die Beine weit ausgestreckt, die persönliche Sekretärin von Prochor Petrowitsch, die schöne Anna Richar-downa.
    Ihr Kinn war mit Lippenstift verschmiert, über ihre Pfirsichwangen krochen von den Wimpern her schwarze Bäche aufgeweichter Tusche.
    Als Anna Richardowna den eingetretenen Buchhalter erblickte, sprang sie auf ihn zu, krallte sich in seine Jackettrevers und schüttelte ihn:
    "Gott sei Dank!" schrie sie. "Wenigstens einer, der Mut hat! Alle laufen weg, alle sind Verräter! Kommen Sie, wir gehen zu ihm, ich weiß nicht, was ich machen soll!" Wieder schluchzte sie los und zog den Buchhalter ins Chefzimmer. Beim Eintreten ließ der Buchhalter als erstes seine Aktentasche fallen, und die Gedanken in seinem Kopf vollführten einen tollen Wirbeltanz. Es muß gesagt werden: Grund genug war dazu vorhanden.
    Hinter dem riesigen Schreibtisch mit dem schweren Tintenfaß saß ein leerer Anzug und führte den nicht eingetauchten trok-kenen Federhalter übers Papier. Der Anzug trug eine Krawatte, aus seiner Brusttasche schaute

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