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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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auseinander und blickte hinab. Seine Augen, früher klar, waren jetzt trüb. "Ha-Nozri", sagte der Henker.
    Ha-Nozri bewegte die geschwollenen Lippen und antwortete mit heiserer Verbrecherstimme:
    "Was willst du? Warum bist du zu mir gekommen?" "Trink!" sagte der Henker, und der wassergetränkte Schwamm auf der Speerspitze näherte sich Jeschuas Lippen. In dessen Augen blinkte Freude, er brachte die Lippen an den Schwamm und saugte gierig die Feuchtigkeit. Vom Nebenpfahl drang die Stimme des Dismas:
    "Ungerecht! Ich bin genauso ein Verbrecher wie er!" Dismas spannte sich, aber er konnte sich nicht bewegen, seine Arme waren an drei Stellen an den Querbalken geschnürt. Er zog den Bauch ein, krallte die Nägel in den Querbalken und wandte den Kopf zum Pfahl Jeschuas, und Wut loderte in seinen Augen.
    Eine Staubwolke zog über den Gipfel, und es wurde rasch dunkel. Als der Staub verflogen war, schrie der Zenturio: "Maul halten am zweiten Pfahl!"
    Dismas verstummte. Jeschua riß die Lippen vom Schwamm, er wollte, daß seine Stimme freundlich und überzeugend klang, doch es gelang ihm nicht, sie klang heiser, als er den Henker bat: "Gib ihm zu trinken!"
    Es wurde immer dunkler. Die Wolke überzog schon den halben Himmel und eilte gen Jerschalaim, kochende weiße Wölkchen flogen der von Feuer und schwarzer Nässe erfüllten Gewitterwolke voraus. Direkt überm Schädelberg blitzte und donnerte es. Der Henker nahm den Schwamm vom Speer. "Preise den großmütigen Hegemon!" flüsterte er feierlich und stieß Jeschua sanft den Speer ins Herz. Der zuckte; flüsterte: "Hegemon ..."
    Blut lief ihm über den Bauch, sein Unterkiefer zuckte krampfhaft, sein Kopf sank herab.
    Beim zweiten Donnerschlag hatte der Henker auch Dismas getränkt und ihn mit denselben Worten "Preise den Hegemon!" getötet.
    Gestas, der nicht mehr denken konnte, schrie erschrocken auf, als der Henker vor ihm stand, doch sowie der Schwamm seine Lippen berührte, schlug er brüllend die Zähne hinein. Gleich darauf hing auch sein Körper schlaff in den Stricken. Der Mann mit der Kapuze folgte dem Henker und dem Zenturio, und hinter ihm ging der Chef der Tempelwache. Beim ersten Pfahl blieb der Mann, mit der Kapuze stehen, betrachtete aufmerksam den blutüberströmten Jeschua, berührte mit weißer Hand dessen Fuß und sagte zu seinen Begleitern: "Er ist tot."
    Das gleiche wiederholte sich bei den anderen Pfählen. Danach gab der Tribun dem Zenturio ein Zeichen, wandte sich ab und stieg mit dem Chef der Tempelwache und dem Mann mit der Kapuze den Berg hinunter. Es war schon sehr dunkel, Blitze furchten den schwarzen Himmel. Plötzlich spritzte Feuer aus ihm hervor, und der Ruf des Zenturios "Die Kette zurückziehen!" ging im Donner unter. Die Soldaten stürmten glücklich den Berg hinab und setzten im Laufen die Helme auf. Finsternis verhüllte Jerschalaim.
    Plötzlich flutete ein Platzregen herab und erreichte die Zentu-rien auf halber Höhe des Berges. So dicht strömte das Wasser hernieder, daß den abwärts laufenden Soldaten bereits tobende Wasserwogen hinterdreinjagten. Sie glitten aus, stürzten auf dem zerweichten Lehm und beeilten sich, die glatte Straße zu erreichen, auf der, durch den niederprasselnden Regen kaum zu sehen, die völlig durchnäßte Kavallerie gen Jerschalaim sprengte. Nach wenigen Minuten befand sich auf dem Hügel mitten in der Brühe aus Donner, Wasser und Feuer nur noch ein Mensch. Das doch nicht sinnlos gestohlene Messer schwenkend, von schlüpfrigen Vorsprüngen abrutschend, an alles sich klammernd und manchmal auf allen vieren kriechend, strebte Levi den Pfählen zu. Mal verschwand er in der dichten Finsternis, mal beleuchtete ihn das zuckende Licht.
    Bis an die Knöchel im Wasser watend, erreichte er die Pfähle, hier riß er sich den regenschweren Tallit herunter und schmiegte sich im bloßen Hemd an Jeschuas Füße. Erst zerschnitt er die Stricke an den Knöcheln, dann stieg er auf den unteren Querbalken, umfing Jeschua und befreite dessen Arme von der oberen Verschnürung. Der nasse, nackte Körper stürzte auf ihn herab und warf ihn zu Boden. Levi wollte ihn sich auf die Schultern laden, doch da kam ihm ein Gedanke. Er ließ den Körper mit dem zurückgebogenen Kopf und den ausgestreckten Armen im Wasser liegen und lief, im glitschigen Lehm ausrutschend, zu den anderen Pfählen. Auch hier zerschnitt er die Stricke, und die beiden Körper fielen zu Boden. Wenig später befanden sich auf dem Gipfel nur noch die beiden

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